Mit und ohne Waffe laufen - Was sagt die Biomechanik?
Von Matthias Graf
Es wurden für das Skating 1-1 und 2-1 bei submaximaler Geschwindigkeit und bei simulierter Wettkampfgeschwindigkeit zwei Protokolle auf dem Laufband durchgeführt. Jede Geschwindigkeit und Technik wurde einmal mit Waffe (MW) und einmal ohne Waffe (OW) getestet. Durch die Waffe verringerte sich die Distanz der Schultern zum Laufband durch schlechtere Aufrichtung des Oberkörpers. Dahingegen gab es mehr Bewegung im Oberkörper, da sich dieser stärker verdrehte und seitlich abknickte. Zudem vergrößerte sich durch die Geschwindigkeitsänderung das Bewegungsausmaß in fast allen Gelenken. Geschlechtsspezifische Unterschiede zu den Auswirkungen auf die Lauftechnik der Waffe konnten kaum festgestellt werden.
Auswirkungen der Waffe auf die Lauftechnik
- MW können sich Athleten*innen nicht in gleichem Ausmaß maximal aufrichten
- MW nimmt die seitliche Rotation und die Verdrehung des Oberkörpers zu
- Durch die Waffe sind nur die Bewegungen im Oberkörper von Veränderungen betroffen
- Höhere Geschwindigkeiten bedeuten ein erhöhtes Bewegungsausmaß in fast allen Gelenken unabhängig, ob MW oder OW gelaufen wurde
- Kaum geschlechtersspezifische Unterschiede
Hintergrund
Der große Unterschied zwischen Biathlon und Skilanglauf ist, dass im Biathlon das zusätzliche Gewicht der Waffe beim Skilanglaufen mitgetragen werden muss. Durch vorherige Studien konnte gezeigt werden, dass dieses zusätzliche Gewicht von mindestens 3,5 kg die Herzfrequenz, Blutlaktatkonzentration, Ventilation und V̇O2 erhöht [1,2,3]. Bislang hat nur eine Studie die biomechanischen Auswirkungen der Waffe auf das Skilanglaufen angeschaut. Dabei wurden bei MW sowohl eine reduzierte Zykluszeit und Zykluslänge als auch eine erhöhte Zyklusrate und erhöhte maximal aufgebrachte Beinkräfte festgestellt [1]. Weitere biomechanische Faktoren wie die Bewegungen der Gelenkwinkel, Rotationen der Teilkörpersegmente und die Körperposition des Oberkörpers sind beim Langlaufen mit Waffe noch nicht erforscht worden.
Methodische Herangehensweise
14 schwedische Nationalmannschaftsmitglieder (6 Frauen & 8 Männer) führten am ersten Testtag einen V̇O2peak Test auf dem Laufband für die beiden Teiltechniken Skating 1-1 und 2-1 durch. Der zweite Testtag - zwei bis fünf Tage später - war gekennzeichnet von dem Vergleich (MW & OW) bei jeweils zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten (submaximal & simulierte Wettkampfgeschwindigkeit) für beide Teiltechniken. Zuerst wurde am zweiten Testtag immer Skating 1-1 und dann Skating 2-1 getestet. Die Aufteilung ob zuerst MW und dann OW getestet wurde, ist gleichmäßig aufgeteilt (7*MW/7*OW) worden. Die submaximale Geschwindigkeit wurde für die jeweilige Teiltechnik für alle Studienteilnehmer*innen gleich gehalten, da eine unterschiedliche Geschwindigkeit Auswirkungen auf die physiologischen und biomechanischen Zielvariablen hat. Die anvisierte Wettkampfgeschwindigkeit lag bei 95% der V̇O2peak-Geschwindigkeit. Beim Skating 1-1 war die Steigung immer 5° und die submaximale Geschwindigkeit 2,22 ms-1 und beim Skating 2-1 immer 8° und 1,67 ms-1. Die kinematischen Variablen des Körpers und des Materials wurden mittels Marker für die 3D-Videokameras aufgezeichnet. Es wurden jeweils in allen drei Dimensionen die Rotationen und die Veränderungen der Gelenkwinkel und des Materials analysiert. Zudem wurde die vertikale Höhe, also der Abstand vom Laufband zu den zwei Markern an der Schulter, berechnet.
Ergebnisse & Diskussion
Hinsichtlich der Lauftechnik hat das Laufen mit Waffe nur Auswirkungen auf den Oberkörper und dessen Bewegungen und nicht auf den Unterkörper. Bei MW sind die Athleten*innen stärker nach vorne gebeugt, was eine schlechtere Aufrichtung des Oberkörpers bedeutet. Aufgrund dieser weniger starken Aufrichtung finden jedoch Ausgleichsbewegungen im Oberkörper statt. Diese sind durch Verdrehung und das seitliche Abknicken des Oberkörpers gekennzeichnet. Die Athleten*innen schaffen es demnach beim Laufen MW nicht, sich vor dem Stockeinsatz maximal aufzurichten und werden in ihrem gesamten Laufstil breiter. Eine andere Studie hat jedoch gezeigt, dass eine möglichst hohe, aufrechte Oberkörperposition vor dem Stockeinsatz mit besserer Leistung beim Skating 1-1 und Doppelstock assoziiert wird [4]. Dies hängt auch damit zusammen, dass durch eine aufrechtere Position vor dem Stockeinsatz das Körpergewicht für den Stockschub genutzt werden kann und somit höhere Kräfte in der Schubphase generiert werden können. Diese Kräfte scheinen bislang ungenutzt zu bleiben, da die höhere Leistung, die beim Laufen mit Waffe erbracht werden muss, bislang alleinig durch eine stärkere Beanspruchung der Beine geleistet wird [1]. Laut den Autoren könnte hier bei MW lauftechnisches Potential liegen, wenn durch eine aufrechtere Position des Oberkörpers die Erbringung der zusätzlichen Leistung auf Ober- und Unterkörper verteilt, und das Körpergewicht für die Schubphase genutzt wird.
Eine weitere Erkenntnis dieser Studie ist, dass durch die Geschwindigkeitserhöhung von submaximal zu Wettkampfgeschwindigkeit die Lauftechnik verändert wird. Genauer gesagt wird das Bewegungsausmaß größer und raumgreifender. Daher ist es zu empfehlen, dass das Techniktraining in Verbindung mit Waffe und hohen (Wettkampf ähnlichen) Geschwindigkeiten durchgeführt wird. Zudem sollten insbesondere intensive Einheiten auch vom Trainer auf der Strecke betreut werden, damit im Anschluss an das Training wertvolle Technikverbesserungen zu den jeweiligen Schwerpunkten gegeben werden können.
Interessanterweise gab es aus Biomechanischer Sicht kaum nennenswerte geschlechtsspezifische Unterschiede durch die Waffe, obwohl durch die höhere relative Masse der Waffe für die Frauen messbare Veränderungen zu erwarten gewesen wären. Es könnte sein, dass es stattdessen Unterschiede in nicht untersuchten Parametern wie der gewählten Gangart oder aufgewendeten Kraft gab.
Praktische Bedeutung
Das Laufen mit Waffe verringert die Aufrichtung des Oberkörpers und beeinträchtig möglicherweise das Potential eines effektiven Stockschubs. Daher sollte beim Techniktraining mit Waffe auf einen aufrechte Körperposition geachtet werden und dieses Techniktraining sollte in Wettkampfintensität absolviert werden, weil es zwischen langsamen und schnelleren Geschwindigkeiten zu Veränderungen der Lauftechnik kommt.
Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Kinematical effects of rifle carriage on roller skiing in well-trained female and male biathletes“, die 2022 im „Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports“ veröffentlicht wurden.
Quellen
Jonsson Kårström, Malin; Stöggl, Thomas; Ohlsson, Marie Lund; McGawley, Kerry; Laaksonen, Marko S. (2022): Kinematical effects of rifle carriage on roller skiing in well-trained female and male biathletes. In: Scandinavian journal of medicine & science in sports 33 (4), S. 444–454. DOI: 10.1111/sms.14276.
- Stöggl, Thomas; Bishop, Phil; Höök, Martina; Willis, Sarah; Holmberg, Hans-Christer (2015): Effect of carrying a rifle on physiology and biomechanical responses in biathletes. In: Medicine and science in sports and exercise 47 (3), S. 617–624. DOI: 10.1249/MSS.0000000000000438.
- Jonsson Kårström, Malin; McGawley, Kerry; Laaksonen, Marko S. (2019): Physiological Responses to Rifle Carriage During Roller-Skiing in Elite Biathletes. In: Front. Physiol. 10, S. 1519. DOI: 10.3389/fphys.2019.01519.
- Rundell, Kenneth W.; Szmedra, Leon (1998): Energy cost of rifle carriage in biathlon skiing. In: Medicine and science in sports and exercise. DOI: 10.1097/00005768-199804000-00015.
- Zoppirolli, Chiara; Hébert-Losier, Kim; Holmberg, Hans-Christer; Pellegrini, Barbara (2020): Biomechanical determinants of cross-country skiing performance: A systematic review. In: Journal of sports sciences 38 (18), S. 2127–2148. DOI: 10.1080/02640414.2020.1775375.
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