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Studie

Langlaufen mit und ohne Waffe

Von Daniel Appelhans

Sowohl im Langlauf als auch im Biathlon wird die Skating Technik als Laufform im Wettkampf benutzt. Im Biathlon wird jedoch zusätzlich eine Waffe mitgeführt was die physiologischen und biomechanischen Anforderungen unterscheiden könnte.

Diese Anforderungen wurden in zwei verschiedenen Studien mit schwedischen Biathlet*innen untersucht. Dazu wurden submaximale und maximale Testungen mit Skirollern auf dem Laufband mit und ohne Waffe durchgeführt.

Das tragen der Waffe führte dabei bei Männern und Frauen zu einem höheren Sauerstoffverbrauch, einer niedrigeren Laufgeschwindigkeit an der anaeroben Schwelle, einer höheren Zyklusrate und Beinarbeit. Die Laktat- und Herzfrequenzwerte waren nur bei den intensiven Belastungen erhöht, aber gleichzeitig gab es vor allen bei den Laktatwerten große individuelle Unterschiede, was deren Aussagekraft verringert.

Durch die stärkere physiologische Beanspruchung und eine veränderte Biomechanik beim Laufen mit Waffe, könnte spezifisches Training vor allem bei intensiveren Einheiten sinnvoll sein.

Wo liegen physiologische & biomechanische Unterschiede?

  • Laufen mit Waffe verringerte die Laufgeschwindigkeit an der anaeroben Schwelle um 0,2m·s-1 und erhöhte den Sauerstoffverbrauch um 2,5 – 5%
  • Zyklusfrequenz und Zykluszeit waren mit Waffe ebenfalls verringert, aber die Zyklusrate erhöht
  • Die benötigten Beinkräfte sind beim Laufen mit Waffe höher und deuten auf eine stärkere Beanspruchung des Unterkörpers hin
  • Die Laktat- und Herzfrequenzwerte sind individuell sehr unterschiedlich und beim Laufen mit Waffe, im Vergleich zum Laufen ohne Waffe, erst ab einer Intensität im Bereich der anaeroben Schwelle erhöht
  • Es gibt kaum geschlechterspezifische Unterschiede - Laufen mit Waffe ist relativ gesehen für Frauen genauso anstrengend wie für Männer

Hintergrund

Auch wenn es zwar eine Vielzahl an Studien gibt, welche sich mit den physiologischen und biomechanischen Anforderungen der Skating Technik und ihrer verschiedenen Sub-Techniken im Langlauf beschäftigt haben, so sind sportartspezifische Untersuchungen im Biathlon eher selten. Neben den unterschiedlichen Wettkampfformaten ist insbesondere das zusätzliche Gewicht (ca. 4kg) durch das Tragen einer Waffe ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. In diesem Zusammenhang sind die genauen physiologischen und biomechanischen Auswirkungen noch nicht ganz geklärt.

Grundsätzlich erhöht Zusatzgewicht den Energieverbrauch, aber es wurde auch gezeigt, dass dieser Zusammenhang erfahrungsabhängig sein kann – je mehr man an die Last gewöhnt ist, desto geringer ist der zusätzliche Energieaufwand [1]. Im Biathlon modellierte eine frühere Untersuchung einen zusätzlichen Energieverbrauch von 7% [2] und eine weitere Studie fand bei submaximalen Belastungen einen um 4 - 8% erhöhten Sauerstoffbedarf [3].

Da diese älteren Untersuchungen jedoch noch keine ausreichende Basis bieten um zuverlässige Schlussfolgerungen ziehen zu können, wurden in den letzten Jahren zwei weitere Studien zu diesem Thema durchgeführt.

Methodik

In beiden Studien waren die teilnehmenden gut trainierte schwedische Biathleten*innen auf nationalem und internationalem Level. Es wurden jeweils 2 Termine durchgeführt und alle Testungen wurden mit Rollski auf dem Laufband absolviert. In Tabelle 1 sind die Protokolle beider Studien aufgeführt.

Tabelle 1. Studienprotokolle

StudieTag 1Tag 2

Stöggl et al.

Probanden: 10 (5W & 5M)

Rampentest zu Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme (5% Steigung, 9km·h-1 -> jede Minute Steigerung um 1km·h-1)

Teil 1: Skating 1-1 mit 5% Steigung; 2x10/5/3min (10min locker/ 5min submaximal mit  8km·h-1/ 3min „Renngeschwindigkeit“ bei 95% VO2max) -> 1x mit Waffe & 1x ohne

Teil 2: Skating 2-1 kurz mit 8% Steigung; Rest gleich wie Teil 1 außer 5min submaximal bei 6km·h-1

Karström et al.

Probanden: 17 (9W & 8M)

Teil 1: 3-5 submaximale Stufen; Dauer jeweils 4min; Steigung 3,5% für W und 4,5% für M; Startgeschwindigkeit 7km·h-1 für W und 8km·h-1 für M; Erhöhung um 2km·h-1 pro Stufe

Teil 2: 15min aktive und passive Erholung

Teil 3: Maximaler Skirollertest; 900m @ 3,5% für Frauen & 1000m @ 4,5% für Männer

Gleiches Protokoll wie Tag 1; Mit oder ohne Gewehr abhängig davon was am Tag 1 gelaufen wurde

Bei allen Testungen wurde durchgängig die Sauerstoffaufnahme und andere Atemfunktionswerte Werte gemessen. Am Ende der verschiedenen Stufen innerhalb der Tests wurde zudem Laktat genommen. Zusätzliche Werte wie die aerob/anaeroben Energieanteile, Brutto-Effizienz und die aufgewendete Leistung wurden auf Basis der gemessenen Spirometrie- und Laktatwerte in beiden Studien berechnet.

In der Untersuchung von Stöggl und Kollegen wurden zudem mithilfe von Kraftmesssensorik an dem Griff, der Fußsohle und den Stockenden noch biomechanische Werte wie die Zykluscharakteristiken sowie Bein/Arm/Stockkräfte gemessen.

Ergebnisse

Auch wenn beide Studien eine ähnliche Thematik und Herangehensweise hatten, so wird bei den Ergebnissen deutlich, dass man diese zum großen Teil nicht einfach eins zu ein vergleichen kann. Lediglich die Erkenntnisse, dass beim Laufen mit Waffe die Sauerstoffaufnahme erhöht war (2,5 – 5%) und dass es keine geschlechterspezifischen Unterschiede im Vergleich mit Waffe/ohne Waffe gibt, lässt sich ohne eine detaillierte Betrachtung problemlos feststellen. Beim Rest der Ergebnisse macht es Sinn, jedes einzelne aufgrund der verschiedenen Protokolle und Schwerpunkte getrennt zu betrachten und einzuordnen.

Stöggl et al.

Zusätzlich zur Sauerstoffaufnahme waren in dieser Untersuchung auch einige andere physiologischen Werte wie die Herzfrequenz (176 zu 179 bpm) und das Laktat (4,3 zu 4,9 mmol·l-1) beim Laufen mit Waffe erhöht. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass diese Werte die Zusammenfassung des submaximalen und maximalen Intensitätsbereiches sowie Lauftechniken (Skating 1-1 & Skating 2-1 kurz) sind. Aber auch zwischen den Techniken blieben, entgegen der Vermutung der Forschenden, die Unterschiede gleich. Dies bedeutet, dass das Tragen der Waffe sowohl beim Skating 1-1 als auch Skating 2-1 kurz und somit scheinbar unabhängig von der Steigung immer eine höhere Belastung darstellt.

Da das zusätzliche Gewicht der Waffe zu einer Erhöhung der notwendigen mechanischen Leistung von circa 11 Watt führte, gab es einige biomechanische Veränderungen beim Laufen mit Waffe. Dazu zählte eine erhöhte Zyklusrate ebenso wie eine verringerte Zykluszeit, Zykluslänge, und Bodenkontaktzeit (Fuß & Stock). Gleichzeitig mussten die Athlet*innen mehr Kraft aufbringen was durch eine erhöhte durchschnittliche Zykluskraft verdeutlicht wird. Dafür war grundsätzlich eine stärkere maximale Beinkraft verantwortlich und kann beim Laufen mit Waffe auf eine größere Bedeutung des Unterkörpers hindeuten. Diese Erkenntnis könnte aber genauso gut durch die unterschiedlichen Lauftechniken beeinflusst sein, da bei Skating 1-1 in Renngeschwindigkeit wiederum die Stockkraft erhöht war.

Karström et al.

Im Gegensatz zur anderen Untersuchung konnte kein Unterschied in der Herzfrequenz zwischen Laufen mit oder ohne Waffe festgestellt werden. Zusätzlich waren auch die Laktatwerte nur in der letzten submaximalen Stufe erhöht. Dies scheint auf den ersten Blick entgegen den Ergebnissen von Stöggl und Kollegen, die erhöhte Laktatwerte auch in der submaximalen Belastung gemessen haben. Aber da dort die Laktatwerte im Mittel bereits bei 2,7 – 3,7 mmol·l-1 lagen, kann man vermutlich nicht ausschließlich von einer submaximalen Belastung sprechen. Auch in der vierten Stufe der Karström Untersuchung bewegt sich die Intensität nicht mehr im submaximalen, sondern bereits im Bereich der anaeroben Schwelle. Die Autoren*innen vermuten, dass die Leistungsfähigkeit des aeroben Energiesystems nur bei niedriger Intensität ausreicht, um die zusätzliche Beanspruchung durch das Tragen der Waffe auszugleichen.

Die höhere Beanspruchung im Bereich der anaeroben Schwelle wird auch dadurch deutlich, dass die Geschwindigkeit beim Laufen mit Waffe an dieser Intensität um 0,2m·s-1 verringert war. Dieser negative Einfluss auf die Performance wurde ebenfalls im maximalen Skirollertest gezeigt. Bei einer Belastungszeit von um die dreieinhalb Minuten dauerte es knapp 14sek länger das Zeitfahren mit Waffe zu absolvieren. Dabei deutet eine statistische Analyse darauf hin, dass die Geschwindigkeit an der anaeroben Schelle sowie die anaerobe Energiebereitstellung die beiden Leistungsentscheidenden Faktoren waren, da beim maximalen Skirollertest mit Waffe auch der anaerobe Energieanteil verringert war.

Die Gründe hierfür sind unbekannt, aber das Training mit Waffe lag für die Athleten in dieser Studie im Mittel bei 4 Stunden pro Woche (ca. 30% des Ausdauertrainings) und wies starke individuelle Unterschiede auf. Da zudem praxisnahe Anekdoten nahelegen, dass intensives Training selten mit Waffe absolviert wird, heben die Autor*innen eine mögliche Bedeutung von spezifischem Training in diesem Bereich hervor.

Zusammenfassung

Sportartspezifische Untersuchungen sind im Biathlon insbesondere hinsichtlich der Laufleistung grundsätzlich selten, aber die Ergebnisse dieser beiden Studien, sowie der schon älteren Untersuchung von Rundell und Kollegen [3], bringen zumindest für die Besonderheiten des Laufens mit Waffe etwas Licht ins Dunkel.

Die zusätzliche Last erhöht die physiologische Beanspruchung insbesondere bei intensiveren Belastungen und schränkt die Leistungsfähigkeit ein. Obwohl die Waffe prozentual eine leicht höhere Last für die Frauen darstellt gibt es keine geschlechterspezifischen Unterschiede – Laufen mit Waffe ist relativ gesehen für Frauen genauso anstrengend wie für Männer.

Die teilweise unterschiedlichen Ergebnisse und scheinbar große individuelle Unterschiede hinsichtlich der Herzfrequenz und Laktatwerte erschweren jedoch eine reine Beurteilung aufgrund dieser Parameter. Hier sollten individuelle Zusammenhänge Athletenspezifisch bestimmt werden.

Die Inhalte basieren auf den Originalstudien "Effect of Carrying a Rifle on Physiology and Biomechanical Responses in Biathletes." & „Physiological Responses to Rifle Carriage During Roller-Skiing in Elite Biathletes.“, die 2015 & 2019 im „Medicine & Science in Sports & Exercise" sowie „Frontiers in Physiology“ veröffentlicht wurden.

Quellen

Kårström, M. J., McGawley, K., & Laaksonen, M. S. (2019). Physiological Responses to Rifle Carriage During Roller-Skiing in Elite Biathletes. Frontiers in Physiology, 10, 1519. https://doi.org/10.3389/fphys.2019.01519

Stöggl, T., Bishop, P., Höök, M., Willis, S., & Holmberg, H.-C. (2015). Effect of Carrying a Rifle on Physiology and Biomechanical Responses in Biathletes. Medicine & Science in Sports & Exercise, 47(3), 617–624. https://doi.org/10.1249/mss.0000000000000438

  1. Heglund, N. C., Willems, P. A., Penta, M., & Cavagna, G. A. (1995). Energy-saving gait mechanics with head-supported loads. Nature, 375(6526), 52–54. https://doi.org/10.1038/375052a0
     
  2. Frederick, E. C. (1987). Estimates of the Energy Cost of Rifle Carriage in Biathlon Ski Skating. International Journal of Sport Biomechanics, 3(4), 392–403. https://doi.org/10.1123/ijsb.3.4.392
     
  3. Rundell, K. W., & Szmedra, L. (1998). Energy cost of rifle carriage in biathlon skiing. Medicine & Science in Sports & Exercise, 30(4), 570–576. https://doi.org/10.1097/00005768-199804000-00015
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