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Studie

Variabilität der Leistungsfähigkeit im Menstruationszyklus

Von Katharina Fischer & Elisabeth Kirschbaum

In einer Online-Befragung wurden 140 norwegische Elite-Skilangläuferinnen und Elite-Biathletinnen zu Veränderungen von Trainingsqualität und Wettkampfleistung sowie dem Auftreten von Begleiterscheinungen in verschiedenen Phasen des Menstruationszyklus befragt. Etwa 51 % der Athletinnen berichteten von einer verbesserten, 71 % von einer verringerte Trainingsqualität in bestimmten Phasen des Menstruationszyklus während 42 % eine verbessert und 49 % eine verschlechterte Wettkampfleistung angaben. Die meisten Athletinnen nahmen ihre schlechteste Leistung und die höchste Anzahl von Begleiterscheinungen zum Zeitpunkt ihrer Regelblutung wahr. In der späten follikulären Phase wurde die Leistungsfähigkeit als am besten empfunden. Die Hälfte der Athletinnen nahmen keine Veränderungen von Trainingsqualität und Wettkampfleistung im Verlauf des Menstruationszyklus wahr. Nur 8 % der norwegischen Athletinnen gaben an, dass sie über ausreichendes Wissen über den Menstruationszyklus und dessen Bedeutung für Training und Wettkampf verfügen. Lediglich 27 % der befragten Athletinnen berichteten, dass sie mit ihren Trainer*innen über den Menstruationszyklus sprechen. Eine Auseinandersetzung mit der Thematik und Weiterbildungen in dem Bereich werden dringend empfohlen.

Subjektive Wahrnehmung von Trainingsqualität und Wettkampfleistung in den verschiedenen Phasen des Menstruationszyklus bei norwegischen Elite-Skilangläuferinnen und Elite-Biathletinnen

  • Die höchste Leistungsfähigkeit wird in der späten follikulären Phase oder frühen lutealen Phase wahrgenommen
  • Die niedrigste Leistungsfähigkeit und die meisten Begleiterscheinungen treten im Zeitraum der Regelblutung auf
  • Etwa 50 % der Athletinnen nehmen keine Veränderung der sportlichen Leistungsfähigkeit im Verlauf des Menstruationszyklus wahr
  • Nur 8 % der Athletinnen verfügen über ausreichendes Wissen über den Menstruationszyklus und dessen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit
  • Lediglich 27% der Wintersportlerinnen sprechen mit ihren Trainer*innen über die Thematik

Hintergrund

Die weiblichen Sexualhormone schwanken in den unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus in einem ungefähr vierwöchigen Rhythmus. Die hormonellen Schwankungen beeinflussen nachweislich verschiedene Körperfunktionen wie z.B. die Thermoregulation und können u.a. Schmerzen, starke Menstruationsblutungen und Stimmungsschwankungen verursachen. Die unterschiedliche Hormondominanz in den einzelnen Phasen des Menstruationszyklus kann auch die sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. Auf Basis von objektiven Messungen der Ausdauerleistungsfähigkeit zu bestimmten Zeitpunkten des Menstruationszyklus konnten jedoch bisher keine eindeutigen Aussagen getroffen werden. Darüber hinaus sind besonders Ausdauersportlerinnen aufgrund des hohen Trainingsumfangs anfällig für Menstruationsstörungen, bei denen es zu Veränderungen des Hormonprofils kommt, was wiederum die Interpretation von Forschungsergebnissen erschwert.

Schätzungen zu Folge verwenden 40-70% der Sportlerinnen ein hormonelles Verhütungsmittel, um z.B. die Regelblutung planbarer zu machen oder Schmerzen zu lindern. Es gibt zum derzeitigen Zeitpunkt keine Aussage dazu, inwieweit hormonelle Verhütungsmittel die Ausdauerleistung beeinflussen können. Ein spezifischeres Wissen über die Verwendung von hormonellen Verhütungsmitteln könnte helfen, die Trainingsanpassungen während des Menstruationszyklus zu optimieren.

Das primäre Ziel dieser Studie war es, die subjektive Wahrnehmung von Veränderungen der Trainingsqualität und Wettkampfleistung sowie zum Auftreten von Begleiterscheinungen in verschiedenen Phasen des Menstruationszyklus bei Ausdauersportlerinnen zu untersuchen. Ein weiteres Ziel bestand darin, den aktuellen Wissensstand der Athletinnen und das Ausmaß der Kommunikation mit ihren Trainer*innen über den Menstruationszyklus darzustellen.

Methodik

Insgesamt beteiligten sich 140 norwegische Athletinnen (82 Skilangläuferinnen, 58 Biathletinnen) an der Befragung. Alle Athletinnen nahmen im Befragungszeitraum entweder an nationalen oder internationalen Wettkämpfen teil. Die Befragung enthielt Fragen zu den folgenden Themenkomplexen: demografische Informationen, Aspekte des Trainings, Wettkampfniveau, gynäkologische Anamnese, wahrgenommene Trainingsqualität, Ergebnisse bei Wettkämpfen während des Menstruationszyklus sowie Menstruationszyklus bedingte Begleiterscheinungen, Einschätzung zum Wissen über den Menstruationszyklus und dessen Einfluss auf Training und die Kommunikation zwischen Athletin und Trainer*in über die Thematik. Derzeitige Anwenderinnen von hormonellen Verhütungsmitteln beantworteten zusätzliche Fragen zu ihren Erfahrungen mit diesen.

Ergebnisse

In der Befragung gaben 56 % der Athletinnen an, einen regelmäßigen Menstruationszyklus zu haben. Ein Ausbleiben der Regelblutung wurde bei sehr hohen Trainingsumfängen von 30 % der Athletinnen berichteten und bei hochintensivem Training von 23%. Die Trainingsqualität wurde in bestimmten Phasen des Menstruationszyklus von 51 % als verbessert und 71 % als verschlechtert empfunden. 42 % berichteten zyklusphasenabhängig von Leistungssteigerungen, 49 % von Leistungseinbußen im Wettkampf, sodass der Einfluss des Menstruationszyklus auf die Trainingsqualität stärker wahrgenommen wurde. Die Athletinnen nahmen sich in der späten follikulären bzw. frühen lutealen Phase als besonders leistungsstark wahr. Dennoch empfanden 50% der Athletinnen im gesamten Menstruationszyklus keine spürbaren Veränderungen der Leistungsfähigkeit. Abbildung 1 zeigt die in Abhängigkeit verschiedener Zyklusphasen empfundenen Veränderungen von Trainingsqualität und Wettkampfleistung.

Nur 8% der befragten Athletinnen gaben an, innerhalb des letzten Jahres gar keine Begleiterscheinungen im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus gehabt zu haben. Die häufigsten Begleiterscheinungen waren Unterleibskrämpfe (83 %) und Blähungen (63 %). Die Beschwerden traten hauptsächlich mit dem Einsetzen der Regelblutung oder wenige Tage davor auf. 52 % der Athletinnen gaben an, ihr Training im vergangenen Jahr mindestens einmal aufgrund von zyklusbedingten Beschwerden angepasst zu haben, wobei 22 % der Athletinnen mehr als dreimal Anpassungen vornehmen mussten. Nur 7 % der Athletinnen gaben an, den Menstruationszyklus in der Trainingsplanung zu berücksichtigen.

Zum Zeitpunkt der Datenerhebung nahmen 56 % der Athletinnen hormonelle Verhütungsmittel ein. Davon gaben 17 % an, dass hormonelle Verhütungsmittel ihre Leistung positiv beeinflusste.

Nur 8 % der Athletinnen gaben an, über ausreichendes Wissen über den Menstruationszyklus und dessen Bedeutung für Training und Wettkampf zu verfügen. 27 % der Athletinnen besprachen die Thematik mit ihren Trainer*innen. Von den restlichen Athletinnen gaben 63 % gaben, mit ihrem/r Trainer*in nicht über ihren Menstruationszyklus sprechen zu wollen, 27 % empfanden es als schwierig, die Thematik grundsätzlich anzusprechen. Dabei auffällig ist, dass 81 % von Trainern trainiert wurden und nur 19 % eine Trainerin hatten. 44 % der Athletinnen, die von einer Trainerin trainiert wurden, sprachen mit ihr über den Menstruationszyklus.

Praktische Empfehlungen

  • Dokumentation des Menstruationszyklus (Symptome im Verlauf des Menstruationszyklus)
  • Bewusste Anwendung von hormonellen Verhütungsmitteln (Präparate sollten für individuelle Situation geeignet sein), Abwägung von Nebenwirkungen im Individualfall
  • Verbesserung der Kommunikation über die Thematik (große interindividuelle Leistungsschwankungen und Begleiterscheinungen möglich; Kommunikation wichtig, um die Gesundheit und die Trainingsanpassungen zu unterstützen)
  • Weiterbildung zum Thema Menstruationszyklus und hormonelle Verhütung für Trainer
  • Workshops zum Umgang mit dem Menstruationszyklus im Leistungssport für Athletinnen

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie „Changes in Self-Reported Physical Fitness, Performance, and Side Effects Across the Phases of the Menstrual Cycle Among Competitive Endurance Athletes" die 2020 im „International Journal of Sports Physiology and Performance" veröffentlicht wurde.

 

 

Quellen

Solli, G.S., Sanbakk, S.B., Noordhof, D.A., Ihalainen, J.K. & Sandbakk, Ø (2020). Changes in Self-Reported Physical Fitness, Performance, and Side Effects Across the Phases of the Menstrual Cycle Among Competitive Endurance Athletes. International Journal of Sports Physiology and Performance, 15, 1324-1333. https://doi.org/10.1123/ijspp.2019-0616