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Studie

Höhen und Tiefen im Hochleistungssport

Von Yannick Schwarz

Die Trainingsumfänge und -inhalte, die Champions im Ausdauersport formen, sind gut dokumentiert. Allerdings ist das Absolvieren hoher Trainingsumfänge selbst für Weltklasseathleten keine Garantie für Erfolg. Zahlreiche Herausforderungen erschweren den Weg zu Weltklasseleistung und können unerwartete Leistungseinbrüche verursachen.

Eine Einzelfallstudie im Langlauf, aufgearbeitet von Talsnes et al. verdeutlicht, dass verschiedene Faktoren das Risiko von Leistungseinbrüchen erhöhen und ein ganzheitlicher Ansatz die Rückkehr zur Weltklasse ermöglicht. Ein hoher Trainingsumfang führt nur dann zu kontinuierlicher Leistungsentwicklung und Erfolg, wenn Aspekte wie Trainingssteuerung, Ernährung, Technik und psychologische Faktoren berücksichtigt werden. Die Autoren der Studie betonen die Bedeutung regelmäßiger und systematischer Leistungsdiagnostik, um die Leistungsentwicklung objektiv zu überprüfen und frühzeitig Leistungseinbrüche zu erkennen.

Bei Trainingsumfängen auf Weltklasseniveau (750- 1000 Std/ Jahr) erwies sich im Fall des beschriebenen Athleten zudem eine konservative Herangehensweise an intensivere Einheiten als vorteilhaft. Die Anwesenheit des Trainers im Training ermöglicht eine gute Überwachung dieser Einheiten, bietet zusätzlich Rückmeldungen zu technischen Merkmalen und mentale Unterstützung. Als besonders wichtig erachten die Autoren außerdem die Energieverfügbarkeit und eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr. In Einklang mit aktuellen Studien wurde deutlich, dass die Restriktion von Kohlenhydraten speziell bei längeren Trainingseinheiten zu ausbleibender Anpassung und unerwartetem Leistungsabfall führen kann.

Ein praxisorientierter Leitfaden zur Prävention und Bewältigung unerwarteter Leistungseinbrüche

  • Für die Rückkehr auf Weltklasseniveau nach einem unerwartetem Leistungseinbruchs hat sich ein ganzheitlicher Ansatz (Training, Ernährung, Technik, Psychologie) als erfolgsversprechend erwiesen.
  • Training im nüchternen Zustand oder mit niedriger Kohlenhydratverfügbarkeit ist ein wesentlicher Risikofaktor und potenzieller Auslöser von Leistungseinbrüchen
  • „Kontrolle“ intensiver Einheiten und Fokus auf einen beständigen Trainingsprozess ergeben ein gutes Gleichgewicht aus Risiko und Nutzen im Trainingsprozess
  • Regelmäßige und systematische Leistungsdiagnostik helfen Trainingsfortschritt und Leistungsabfall zu erkennen und unterstützen beim Belastungsmanagement
  • Regelmäßige Trainingsbetreuung vor Ort ermöglicht sowohl die Optimierung technischer Merkmale und sowie mentale Unterstützung der Athleten.

Abkürzungen

  • LIT: Training im niedrigen Intensitätsbereich (I1 – I2)
  • MIT: Training im mittleren Intensitätsbereich (I3)
  • HIT: Training im hohen Intensitätsbereich (I4 – I5)
  • KH: Kohlenhydrate

Spitzenleistung – Leistung entwickeln und Leistungseinbrüche vermeiden

Das primäre Ziel und die Faszination des Spitzensports zugleich, ist das Erreichen von sportlicher Höchstleistung. Zur Entwicklung solch außerordentlicher Leistungen absolvieren Ausdauerathleten auf Weltklasseniveau jährlich 750 bis 1000 Stunden Training [1]. Die Trainingsumfänge und spezifischen Inhalte, die diese Champions formen, sind in zahlreichen retrospektiven Trainingsanalysen von Weltklasseathleten beschrieben [1,2]  und dennoch gibt es keine Blaupause für Weltklasseleistungen. Trotz beschriebener Trainingsumfänge und professionaler Betreuung erfährt ein Großteil (20 bis 60%) der Weltspitze im Ausdauersport mindestens einmalig in ihrer Karriere einen unerwarteten Leistungseinbruch [3]. Daher ist die Vermeidung von Leistungstiefs, neben der Leistungsentwicklung durch Training, essenziell um konstant Weltklasseleistungen zu erbringen.

Ein exemplarischer Fall im Skilanglauf

Obwohl Training meist im Mittelpunkt der Entwicklung sportlicher Leistung steht, gibt es eine Vielfalt an Faktoren die einen unterwartetes Leistungseinbruch auslösen können. In einer aktuellen Einzelfallstudie beschreiben Rune Talsnes und Kollegen exemplarisch wie neben Training, Ernährung, Technik und psychologische Faktoren einen unerwarteten Leistungseinbruch hervorrufen können und wie durch diese Stellschrauben eine Rückkehr auf Weltklasseniveau gelingt.

Das Ziel dieser Studie bestand darin, die Symptome und Ursachen für den Leistungseinbruch eines Langläufers (125 Weltcup-Starts, 14 Podiumsplätze, 4 Siege) zu erkennen und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Rückkehr in die Weltspitze zu beschreiben. Anhand von langjährigen Trainingsaufzeichnungen wurde das Gesamttrainingsvolumen pro Saison, die Intensität der Trainingsinhalte (LIT, MIT, HIT) und die Dauer einzelner Trainingseinheiten ermittelt. Über einen Zeitraum von 10 Jahren (2012 bis 2022) wurden die Ergebnisse der Trainingsaufzeichnungen, leistungsdiagnostische Daten und Wettkampfergebnisse rückblickend analysiert. Zusätzlich fanden mehrere Interviews mit dem Athleten und Betreuern statt, um weitere Einblicke zu gewinnen.

Aufstieg auf Weltklasseniveau

Innerhalb der ersten sieben Jahre (2012/13 – 2018/19) des Analysezeitraums steigerte der untersuchte Sportler seinen Gesamttrainingsumfang um ca. 30% (von ~ 770 auf ~ 1.000 Std) und etablierte sich in der Weltspitze. Die Trainingsintensitätsverteilung (~91–93% LIT, ~4-5% MIT, and ~3-4% HIT) blieb über die Jahre unverändert, da sowohl ein proportionaler Anstieg niedrig-intensiver (LIT: +31%) als auch intensivere Inhalte (MIT: +75%, HIT +84%) stattfand.

Die ersten vier Saisons (´12/13 - ´15/16) innerhalb des Untersuchungszeitraums verliefen zunehmend erfolgreich und ohne Auffälligkeiten. Im Zeitraum von ´16/17 - ´18/19 berichtete der Athlet, trotz konstanter Leistung, erstmalig von niedriger Energieverfügbarkeit in Training und Wettkampf und registrierte ein erhöhtes Körpergewicht und Körperfettanteil.

Plötzlicher Leistungseinbruch – Symptome und potenzielle Auslöser

Ein Leistungsabfall zeichnete sich dann ´19/20 ab und führte zum frühzeitigen Ende der Saison ´20/21. Parallel zur ausbleibenden Leistung wurden Symptome wie Energielosigkeit, mangelnde Motivation, Häufung von Krankheitstagen und verringertes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten beobachtet (siehe Tabelle 1). Diese Beobachtungen sind übereinstimmend mit weiteren Studien zu Leistungseinbrüchen und Übertraining im Ausdauersport [4].

Tabelle 1: Herausforderungen, Symptome und potenziellen Auslöser des Leistungseinbruch eines Langläufers auf Weltklasseniveau

Auf der Suche nach Ursachen offenbarten sich unterschiedliche potenzielle Auslöser in den Bereichen Training, Ernährung, Technik und Psychologie (Tabelle 1). Beispielsweise zeigte die retrospektive Analyse des Trainings, dass im Zeitraum des Leistungseinbruchs keine strategische Abfolge von Be- und Entlastung - sprich systematische Periodisierung - vorhanden war. In „Belastungsphasen“ wurde körperliche Beanspruchung so lange angesammelt, bis eine „Entlastungsphase“ durch Erschöpfung oder Krankheit erzwungen wurde. Zusätzlich zur mangelnden Periodisierung und hohen Belastung konnten auch Fehler bei der Durchführung von sehr fordernden Trainingsinhalten identifiziert werden. Trainingseinheiten im mittleren Intensitätsbereich, die häufig zwei Mal täglich stattfanden, wurden ohne adäquate Intensitätskontrolle durchgeführt, obwohl Kontrolle und Vermeidung von metabolischem Stress wesentliche Aspekte von Training im mittleren Intensitätsbereich darstellen [5].

Erschwerend kam hinzu, dass der untersuchte Athlet die meisten seiner LIT-Einheiten, (einschließlich Einheiten über 4 Std) mit verringerter oder ohne KH-Zufuhr durchführte. Da in den letzten Jahren gezeigt werden konnte, dass „Low-Carb-Training“ kaum zu verbesserter Leistungsfähigkeit beiträgt und darüber hinaus Risiken birgt [6], könnte die Restriktion von KH ein wesentlicher Grund für den Leistungseinbruch gewesen sein. Besonders bei Spitzensportlern, die hohe Trainingsumfänge absolvieren, besteht das Risiko mangelnder Energieverfügbarkeit und Leistungseinschränkung durch die mangelnde Zufuhr von KH [7].

Rückkehr auf Weltklasseniveaus

Auf Grund der vielfältigen Ursachen für den Leistungseinbruch des untersuchten Langläufers war ein ganzheitlicher Lösungsansatz (Tabelle 2) notwendig, um in die Weltspitze zurückzukehren. Wissenschaftler, Betreuer, Trainer und Athlet erarbeiteten und setzten diesen ganzheitlichen Lösungsansatz dabei in enger Zusammenarbeit um.

Gezielte Periodisierung von Trainingsumfang und -intensität lösten die vorherige unsystematischere Trainingsplanung ab und physiologische Testungen (hauptsächlich Laktat und Herzfrequenz) wurden nach jedem Trainingsblock eingeführt. Die Einführung regelmäßiger Leistungsdiagnostiken ermöglichte so kurzfristige Leistungsveränderungen zu erfassen und unterstützte außerdem die Bestimmung aktueller Trainingszonen sowie das Belastungsmanagement.

Tabelle 2: Unterschiedliche Trainings-, Ernährungs-, physiologische und technische Maßnahmen im ganzheitlichen Ansatz zur Rückkehr nach unerwarteter Leistungseinbruch

Abseits des Labors wurde der Sportler täglich durch die Anwesenheit eines Assistenztrainers unterstützt. Die intensivierte Betreuung im Training ermöglichte regelmäßige Rückmeldung und Optimierung von technischen Merkmalen im Training. Auch die Intensitätskontrolle profitierte durch die tägliche Betreuung und konnte mit der Durchführung von Laktatmessungen im Training zusätzlich verbessert werden. Grundsätzlich wurde ein konservativer Trainingsansatz gewählt, um das Risiko für Krankheit und Verletzung zu reduzieren und mehr Kontinuität im Training zu erzielen. Die Intensitätsverteilung wurde von dieser Entscheidung im Verglich zum vorherigen Zeitraum unwesentlich beeinflusst.

Im Hinblick auf die Ernährung wurde darauf geachtet, dass alle Trainingseinheiten ausreichend mit Kohlenhydraten (30- 90 g/Stunde) versorgt wurden. Die Höhe der Kohlenhydrataufnahme wurde dabei anhand von Umfang und Intensität der Trainingseinheiten gesteuert. Zudem wurde vollständig auf Trainingseinheiten mit einer Dauer von über vier Stunden verzichtet, um starke Entleerung der Glykogenspeicher zu vermeiden.

Zusammenfassung

Infolge der identifizierten Ursachen und der daraus abgeleiteten Lösungsansätze konnte der Sportler wieder zur Weltklasse im Langlauf aufschließen. Dennoch ist Vorsicht bei der Verallgemeinerung der vorliegenden Daten geboten. Ein kausaler Zusammenhang einzelner Beobachtungen mit dem Leistungsverlust des Athleten kann nicht geklärt werden. Vielmehr soll dieser Artikel Athleten und Verantwortlichen einen Leitfaden bieten, wie unerwartete Leistungsabfälle frühzeitig erkannt und adressiert werden können. Häufig sind Ursachen für ausbleibenden Erfolg mehrdimensional und erfordern individuelle sowie ganzheitliche Lösungsansätze. Dabei ist ein offener und enger Austausch mit Athleten, Betreuern und wissenschaftlichem Personal essenziell.

 

Die Inhalte basieren auf dem Originalartikel "The return from underperformance to sustainable world-class level: A case study of a male cross-country skier.", der 2023 in „Frontiers in Physiology" veröffentlicht wurde.

 

Quellen

Talsnes, R. K., Moxnes, E. F., Nystad, T., & Sandbakk, Ø. (2023). The return from underperformance to sustainable world-class level: A case study of a male cross-country skier. Frontiers in Physiology, 13, 1089867. https://doi.org/10.3389/fphys.2022.1089867

  1. Solli, G. S., Tønnessen, E., & Sandbakk, Ø. (2020). The Multidisciplinary Process Leading to Return From Underperformance and Sustainable Success in the World’s Best Cross-Country Skier. International Journal of Sports Physiology and Performance, 15(5), 663–670. doi.org/10.1123/ijspp.2019-0608
  2. Sandbakk, Ø., & Holmberg, H.-C. (2017). Physiological Capacity and Training Routines of Elite Cross-Country Skiers: Approaching the Upper Limits of Human Endurance. International Journal of Sports Physiology and Performance, 12(8), 1003–1011. doi.org/10.1123/ijspp.2016-0749
  3. Meeusen, R., Duclos, M., Foster, C., Fry, A., Gleeson, M., Nieman, D., Raglin, J., Rietjens, G., Steinacker, J., & Urhausen, A. (2013). Prevention, diagnosis and treatment of the overtraining syndrome: Joint consensus statement of the European College of Sport Science (ECSS) and the American College of Sports Medicine (ACSM). European Journal of Sport Science, 13(1), 1–24. doi.org/10.1080/17461391.2012.730061
  4. Solli, G. S., Tønnessen, E., & Sandbakk, Ø. (2020). The Multidisciplinary Process Leading to Return From Underperformance and Sustainable Success in the World’s Best Cross-Country Skier. International Journal of Sports Physiology and Performance, 15(5), 663–670. https://doi.org/10.1123/ijspp.2019-0608
  5. Casado, A., Foster, C., Bakken, M., & Tjelta, L. I. (2023). Does Lactate-Guided Threshold Interval Training within a High-Volume Low-Intensity Approach Represent the “Next Step” in the Evolution of Distance Running Training? International Journal of Environmental Research and Public Health, 20(5), 3782. doi.org/10.3390/ijerph20053782
  6. Burke, L. M. (2015). Re-Examining High-Fat Diets for Sports Performance: Did We Call the ‘Nail in the Coffin’ Too Soon? Sports Medicine, 45(S1), 33–49. doi.org/10.1007/s40279-015-0393-9
  7. Gejl, K. D., & Nybo, L. (2021). Performance effects of periodized carbohydrate restriction in endurance trained athletes – a systematic review and meta-analysis. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 18(1), 37. doi.org/10.1186/s12970-021-00435-3
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