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Studie

Wie wirkt sich die Belastungsintensität auf das Stehendschießen aus?

Von Matthias Graf

Im Biathlon kennzeichnet die Top-10 gegenüber den Plätzen 21 – 30 eine deutlich höhere Trefferquote (8 – 10%) im Stehendschießen aus. Zudem wird mit dem Stehendschießen eine höhere Leistungsselektion als mit dem Liegendschießen erzielt. Im jährlichen Training werden jedoch nur ca. 10% aller Schüsse unter einer wettkampfspezifischen Belastung abgefeuert [2]. Aus diesem Grund wurde in dieser Studie untersucht, wie sich unterschiedliche Intensitäten (1, 3, 4, 5) auf die Leistung im Stehendschießen auswirken. Die Intensitäten entsprechen der Geschwindigkeit von lockerem Ausdauertraining, Schwellentraining, Wettkampf und der Schlussrunde. Diese Intensitäten wurden jeweils zweimal auf einer 1 km Runde absolviert mit fünf Stehendschuss direkt im Anschluss. Die Studienteilnehmer war die männliche Biathlonnationalmannschaft (A- und B-Kader) aus Norwegen. Ab der Wettkampfintensität ist das Risiko für einen Fehlschuss um mehr als das Zweifache angestiegen. Die Athleten konnten bis zur Schwellengeschwindigkeit die belastungsinduzierten Waffenbewegungen ausgleichen und hielten die Schießleistung konstant. Erst ab der Wettkampfgeschwindigkeit und in der Schlussrunde hatten die belastungsinduzierten Waffenbewegungen Auswirkungen auf die Stehendleistung. Die unterschiedlichen Intensitäten hatten keine Auswirkungen auf die Varianz der Schussabgabe und die Zeit bis zum ersten Schuss. In den hochintensiven Belastungen griffen die Athleten hier auf ein trainiertes und stabiles Bewegungsmuster zurück.

 

Stehendschießen in Ruhe bis zur maximalen Belastung: Alle Intensitäten im Überblick und deren Auswirkungen

  • Stehendleistung nimmt vor allem ab der Wettkampfbelastung ab
  • Das Risiko eines Fehlers steigt um mehr als das Zweifache an
  • Belastungsbedingte Waffenbewegungen vor der Schussabgabe können bis zur Schwellenbelastung ausgeglichen werden und wirken sich erst ab der Wettkampfintensität negativ auf die Schießleistung aus
  • Mehr Training bei höheren Waffenbewegungen wird empfohlen. Das kann einerseits durch Schießen in Wettkampfbelastung oder anderseits durch externe Hilfsmittel (künstlicher Wind, wackelnde Gewichte) erreicht werden

Einleitung

Beim Biathlon stellt das Schießen nach hochintensiven Belastungen stellt eine große Herausforderung dar. Trotzdem ist der Zusammenhang von Schießleistung und Belastungsintensität recht spärlich erforscht. Das ist verwunderlich schließlich haben Biathlet*innen während einem Sprintwettkampf eine durchschnittliche Herzfrequenz von 89% der maximalen Herzfrequenz und beginnen im Schnitt das Stehendschießen bei einer Herzfrequenz von 87% der maximalen Herzfrequenz [3]. Das ist möglicherweise der Grund warum im Stehendschießen eine stärkere Leistungsselektion als beim Liegendschießen erfolgt. Erfolgreichere Athleten können mit diesen Anforderungen besser umgehen, denn die Top-10 zeichnen sich gegenüber den Plätzen 21 – 30 durch eine 8 – 10% bessere Trefferquote aus.

Im Training wird das spezifische Schießtraining hauptsächlich in Ruhe und in Kombination mit geringer (75 %) oder moderater (15%) Intensität durchgeführt. Lediglich 10% des Komplextrainings wird bei hohen Intensitäten durchgeführt [2]. Mit zunehmender Intensität konnte jedoch nachgewiesen werden, dass sowohl die Sauberkeit des Zielvorganges (Waffenbewegung während den letzten 0,2 Sekunden vor Schussabgabe) als auch die vertikale Haltestabilität (vertikale Bewegung der Waffe in den letzten 0,6 Sekunden vor Schussabgabe) beim Stehendschießen abnehmen [1].

 

Methoden

19 männliche Profibiathleten aus der norwegischen Nationalmannschaft haben an dieser Studie teilgenommen (Anm. d. Red. A- & B-Team). Die Studie wurde auf Skiroller während eines Komplextrainings durchgeführt. Um die Instabilität der Skiroller auszuschalten, sind die Biathleten während des Stehendschießens mit den Skirollerholmen auf Holzlatten gestanden. Während dieser Einheit/Studie wurde nur im stehenden Anschlag und auf Klappscheiben geschossen. Es wurden immer standardmäßig fünf Schuss pro Serie abgefeuert. Nach zwei Serien unter Ruhe wurde immer ohne Waffe eine 1 km Runde auf Skiroller zurückgelegt. Hierbei wurden die Intensitätszonen 1, 3, 4 und 5 (≙ lockerem Ausdauertraining, Schwellengeschwindigkeit, Wettkampfgeschwindigkeit und Schlussrunde) jeweils zweimal absolviert. Nach jeder Runde wurde direkt im Stehendanschlag die Serie geschossen. Nach dem Schießen wurde jedes Mal Laktat abgenommen und eine 1-minütige Pause vor der nächsten Runde durchgeführt. Die Athleten wurden angehalten, dass sie wettkampfmäßig schießen sollen. Das bedeutet schnellstmöglich alle Scheiben zu treffen.

Ausgewertet wurde die Schussgenauigkeit (ausgedrückt mit dem Abstand zum Trefferzentrum), das Ergebnis (Treffer/Fehler), die Sauberkeit des Zielvorganges (Waffengeschwindigkeit 0,25 Sekunden vor Schussabgabe) und die vertikale Haltestabilität (vertikales Bewegungsausmaß der Waffe 0,6 Sekunden vor Schussabgabe).

 

Ergebnisse & Diskussion

Die Intensität hatte sowohl auf die Schussgenauigkeit als auch auf das Ergebnis einen Einfluss. Bis zur Schwellengeschwindigkeit konnten in diesen Parametern keine Unterschiede festgestellt werden, jedoch ab der Wettkampfgeschwindigkeit vergrößerte sich der Zentrumsabstand und das Risko für einen Fehler. Verglichen mit der Ruhebelastung stieg das Fehlerrisiko mit der Intensität 4 um den Faktor 2,2 und mit der Intensität 5 um den Faktor 2,8 an. Auch zwischen den drei lockersten Intensitäten und der Intensität 4 stieg das Risiko für einen Fehler um den Faktor 1,9 und bei der Intensität 5 um den Faktor 2,5 an. In einfachen Zahlen ausgedrückt, steigt die Fehlerwahrscheinlichkeit ab der Wettkampfintensität um mehr als das Zweifache an.

Die Sauberkeit des Zielvorganges wird anhand der Waffengeschwindigkeit dargestellt. Diese nimmt von der Ruhe bis zu den Intensitäten 1 und 3 um ca. 20% zu und von diesen Intensitäten steigt sie weitere 15% in den Intensitäten 4 und 5 an. Die Schießleistung nahm jedoch, wie oben beschrieben, erst merklich ab den Wettkampfintensitäten ab. Dadurch schlussfolgern die Autoren, dass die Athleten bis zur Schwellengeschwindigkeit die zunehmende Ermüdung und dadurch die Instabilität kompensieren können. Es aber bei höheren Intensitäten zu so starken ermüdungsbedingten Stabilitätsverlusten kommt, dass die Schießleistung dadurch negativ beeinflusst wird. Da diese negativen Auswirkungen erst bei hochintensiven Belastungen aufgetreten sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Ermüdung die Schießtechnik beeinflusst.

Die Vorbereitungszeit bis zum ersten Schuss wurde nicht von der Intensität beeinflusst, was bedeutet, dass die Athleten ein stabiles Bewegungsmuster abrufen, unabhängig von der Intensität. Auch die anfängliche Hypothese, dass bei steigender Intensität eine erhöhte zeitliche Varianz zwischen den Schüssen entsteht - durch Veränderungen im Nachladen und Timing der Schussabgabe – konnte anhand dieser Daten widerlegt werden. Die Athleten zeichnete vielmehr ein eher festes und einstudiertes motorisches Bewegungsmuster bei den hohen Wettkampfintensitäten aus.

Ein wichtiges Trainingsziel sollte es sein, dass in der finalen Zielphase vor der Schussabgabe die Waffengeschwindigkeit bei hohen Belastungen im Stehendschießen minimiert wird. Die Autoren empfehlen deswegen, dass die Häufigkeit (Norm 10%) von Schießeinheiten unter hoher Belastung gesteigert werden sollte. Den Autoren ist jedoch auch bewusst, dass das hochintensive Training einen kleinen Anteil am Gesamttrainingsvolumen in der Vorbereitungszeit einnimmt. Deswegen werden Alternativen empfohlen, damit die Waffengeschwindigkeit auch bei niedrigeren Intensitäten künstlich erhöht werden kann. Hierfür werden zum Beispiel Wind durch Ventilatoren oder das Fixieren von kleinen, beweglichen Gewichten am Gewehrlauf vorgeschlagen. Das Ziel hierbei ist es, dass die Ermüdung und die daraus resultierende vergrößerte Bewegungsamplitude der Waffe simuliert wird.

Die Inhalte basieren auf dem Originalartikel "Effect of Exercise Intensity on Biathlon Standing Shooting Performance and Rifle Movement during Outdoor Roller Skiing." , der 2024 in „Medicine and science in sports and exercise" veröffentlicht wurde.

Quellen

Jørgen Danielsen, Harri Luchsinger, Anna Ravndal, Marko S. Laaksonen, Øyvind Sandbakk, and David McGhie. 2024. Effect of Exercise Intensity on Biathlon Standing Shooting Performance and Rifle Movement during Outdoor Roller Skiing. Medicine and science in sports and exercise. DOI: doi.org10.1249/MSS.0000000000003563.

[1]      Simo Ihalainen, Marko S. Laaksonen, Sami Kuitunen, Antti Leppävuori, Jussi Mikkola, Stefan J. Lindinger, and Vesa Linnamo. 2018. Technical determinants of biathlon standing shooting performance before and after race simulation. Scandinavian journal of medicine & science in sports 28, 6, 1700–1707. DOI: doi.org/10.1111/sms.13072.

[2]      Marko S. Laaksonen, Malin Jonsson, and Hans-Christer Holmberg. 2018. The Olympic Biathlon - Recent Advances and Perspectives After Pyeongchang. Front. Physiol. 9, 796. DOI: doi.org/10.3389/fphys.2018.00796.

[3]      Harri Luchsinger, Rune K. Talsnes, Jan Kocbach, and Øyvind Sandbakk. 2019. Analysis of a Biathlon Sprint Competition and Associated Laboratory Determinants of Performance. Front. Sports Act. Living 1, 60. DOI: doi.org/10.3389/fspor.2019.00060.

 

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