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Studie

Die schwedische Biathlon- und Langlaufnationalmannschaft im Höhentrainingslager – welche Erkenntnisse können daraus gezogen werden?

Von Matthias Graf

Die schwedische Nationalmannschaft von Biathlon und Langlauf wurde in der Vorbereitungsphase während eines Höhentrainingslagers auf ca. 1800 m täglich überwacht, um die Adaptationen und Reaktionen der Höhenexposition zu erfassen. Insgesamt wurden 33 Athlet*innen über einen Zeitraum von 18 Nächten (Skilanglauf) und 22 Nächten (Biathlon) überwacht. Die Methodik für die Überwachung sollte einfach durchführbar sein und den täglichen Trainingsbetrieb nicht beeinträchtigen.

Die Haupterkenntnisse der Studie waren, dass sich sowohl die Sauerstoffsättigung in Ruhe, die Ruheherzfrequenz sowie die Körperzusammensetzung und das Körpergewicht über den Zeitraum des Höhentrainingslager nicht systematisch verändert haben. Insgesamt wurden jedoch 15 Krankheitsphasen festgestellt und auffallend dabei ist, dass davon 11 in den ersten vier Tagen nach dem Hin- oder Rückflug eingetreten sind. Die Biathlet*innen, die gesund durch das Höhentrainingslager gekommen sind, konnten ihre Geschwindigkeit bei 4 mmol Laktat um 4 % erhöhen, wohingegen die Athlet*innen mit einem Infekt in diesem Zeitraum mit einer Verschlechterung dieser Geschwindigkeit auffielen.

Höhentrainingslager – höher, weiter, besser?

  • Sauerstoffsättigung in Ruhe, die Ruheherzfrequenz sowie die Körperzusammensetzung und das Körpergewicht blieben während des Höhentrainingslagers konstant
  • Insgesamt wurden fast 45 % aller Athlet*innen krank, wobei das höchste Risiko in den vier Tagen nach den Hin- und Rückflügen herrschte
  • Athlet*innen ohne Krankheiten konnten ihre Geschwindigkeit bei 4 mmol/L Laktat um ca. 4 % steigern
  • Athlet*innen mit Krankheiten verschlechterten sich jedoch

Einleitung & Hintergrund

In den Trainingsplan von Ausdauerathlet*innen wird gewöhnlicherweise eine Höhenexposition mit eingebettet, um die kurzeitigen und langzeitigen physiologischen Adaptationen dieser auszunutzen. Der Zeitraum für ein solches Trainingslager in der Höhe ist in der Regel zwischen zwei bis vier Wochen [3, 4]. Um das vollständige individuelle Leistungspotential in der Höhe auszuschöpfen, ist jedoch eine Akklimatisierung von Nöten. Aktuelle Empfehlungen sprechen hierbei von ca. 14 Tagen auf ähnlicher Höhenlage zur Akklimatisierung, wenn der Wettkampf auf mindestens 2000 Metern stattfindet [2]. Von Höhen bis zu 2000 Metern spricht man im physiologischen Kontext jedoch von geringen Höhenlagen. Diese sind insbesondere für unsere Sportarten relevant, da im Skilanglauf und Biathlon internationale Wettkämpfe maximal auf einer Höhe von 1800m stattfinden dürfen. Die Auswirkungen von einer solchen geringen Höhenexposition ist im Profiausdauersport noch sehr wenig erforscht worden [2]. Das Ziel dieser Studie war es, neben den subjektiven Erkenntnissen, das Verständnis für die Akklimatisierung an geringe Höhen (ca. 1800 m) und die Auswirkungen auf das Training zu untersuchen. Das Ganze wurde mit der schwedischen Biathlon- und Langlaufnationalmannschaft durchgeführt.

 

Methoden

Insgesamt wurden in der Vorbereitungsphase im August und September 2019 21 Langläufer*innen und 11 Biathlet*innen aus der Nationalmannschaft täglich während den Trainingslagern auf ca. 1800 Metern überwacht. In Summe verbrachten die Langläufer*innen 18 Nächte und die Biathlet*innen 22 Nächte in der Höhe. Jeden Tag wurde die Sauerstoffsättigung in Ruhe, die Ruheherzfrequenz, das Körpergewicht, Urinfarbe und das spezifische Uringewicht, die subjektive Erholung und Stress sowie der Trainingsload für alle Athlet*innen aufgezeichnet. Die Biathlet*innen zeichneten zusätzlich noch den Harnstoff-Stickstoff am Morgen auf. Außerdem wurden Krankheit und/oder Verletzung während und eine Woche nach dem Trainingslager notiert. 4 - 6 Wochen vor dem Lehrgang wurde der individuelle Eisenstatus erfasst und bei Bedarf entsprechend supplementiert. Neben all den medizinischen Parametern wurde ein submaximaler 5 Minuten Radtest (bei 120 W für die Frauen und 160 W für die Männer) und ein submaximaler Stufentest auf Skiroller durchgeführt. Das Radfahren wurde so moderat intensiv gewählt, damit dieser Test in den Lehrgang als Aufwärmprogramm eingebaut werden kann. Dabei wurden Sauerstoffsättigung, Puls, RPE und Laktat erhoben. Mit dem Stufentest auf Skiroller wurde die Geschwindigkeit bei 4 mmol/L Laktat ermittelt. Dieser wurde 7 ± 3 Tage nach dem Trainingslager wiederholt.

Das verwendete Trainingskonzept entsprach dem „live high – train high“ [3]. Insgesamt wurden alle Einheiten auf einer Höhe zwischen 1200 – 2250 Metern durchgeführt.

Erkenntnisse & Diskussion

Das Hauptziel dieser Studie war es mit der täglichen Datenerhebung den täglichen Verlauf und die Variationen gepaart mit den subjektiven Eindrücken des Höhentrainings auf 1800 m zu beschreiben.

Die Haupterkenntnisse dieser Studie waren:

  1. Die Sauerstoffsättigung in Ruhe und die Ruheherzfrequenz veränderten sich nicht systematisch über den Zeitraum des Lehrganges
  2. Die Körperzusammensetzung (Muskel- und Fettmasse) sowie das Körpergewicht wurde durch das Trainingslager nicht beeinflusst
  3. Insgesamt wurden 15 Phasen der Krankheit, bei 15 unterschiedlichen Sportler*innen festgestellt. 11 dieser 15 Krankheitsphasen traten innerhalb von 4 Tagen nach dem Hin- oder Rückflug ein.
  4. Biathlet*innen, die ohne Krankheit durch das Höhentrainingslager gekommen sind, konnten ihre Geschwindigkeit bei 4 mmol um 4% erhöhen.

Eine Messung der Ruhesauerstoffsättigung kann ein sehr sinnvolles Instrument zur Beurteilung der Höhenanpassung sein, da ein gradueller Anstieg der Sauerstoffsättigung über Tage oder Wochen nach der Ankunft in der Höhe ein guter Indikator für eine gesunde Anpassung an die Hypoxie ist [4]. Diese fehlende Veränderung in dieser Studie war überraschend, da die Athlet*innen erst eine geringe Erfahrung mit Höhentrainingslager hatten und auch im täglichen Leben eher auf geringen Meereshöhen leben. Ebenfalls keine systematische Veränderung während des Höhentrainings konnte in der Ruheherzfrequenz festgestellt werden. Eine typische Reaktion auf eine Höhenexposition wäre, dass eine initiale Erhöhung gefolgt von einem graduellen Abfall der Ruheherzfrequenz zu beobachten ist [1].

Eine erhöhte Respiration und Diurese durch eine Höhenexposition führen zu einem gesteigerten Wasserverlust und zu einer erhöhten Gefahr der Dehydratation [5]. Aus diesem Grund sollten bei Höhentrainingslagern regelmäßig Urinparameter und das Körpergewicht beobachtet werden. Sowohl die Urinfarbe als auch das spezifische Uringewicht waren über den Trainingszeitraum keinen systematischen Veränderungen unterlegen. Es gab jedoch Tage, an denen es messbar höhere Werte gab, verglichen mit dem ersten Tag. Gab es jedoch in der morgendlichen Messung individuelle Auffälligkeiten wurden selbstverständlich sofort entsprechende Gegenmaßnahmen mit der entsprechenden Flüssigkeitsversorgung eingeleitet. Aufgrund dieser, über das gesamte Trainingslager gesehen, stabilen Werte wurden ebenfalls keine Veränderungen im Körpergewicht festgestellt.

Beim submaximalen Radtest wurde eine konstante Verringerung der Sauerstoffsättigung von 2,6 – 3,5 % über alle drei Wochen festgestellt verglichen mit der Baseline Erhebung auf Meereshöhe. Auch das subjektive Belastungsempfinden ist erhöht gewesen. Keine Veränderungen konnten jedoch in der Herzfrequenz und den Laktatwerten beobachtet werden. Gerade im Nachgang sind diese Ergebnisse etwas schwierig zu interpretieren, da die Leistungswerte für Leistungssportler dieser Kategorie relativ gesehen zu gering waren, um messbare Veränderungen sichtbar zu machen.

Von den 15 Krankheitsfällen sind 11 entweder in den ersten vier Tagen nach dem Hin- oder Rückflug eingetreten. Hierdurch wird erneut deutlich, dass eine gut gewählte Reisestrategie und -routine entscheidend ist für den Erfolg eines solchen Trainingslagers. Es handelte sich hierbei klassischerweise vor allem um Atemwegsinfektionen und Magendarminfekte. Bei einer Erkrankungsrate von fast 45 % muss ebenfalls die Frage gestellt werden, ob ein solches Krankheitsrisiko möglicherweise die positiven Trainingsanpassungen überwiegt und man möglicherweise ein simuliertes Höhentrainingslager in der Heimat durchführen sollte.

Die Biathleten, die ohne Erkrankung durch das Höhentrainingslager gekommen sind, konnten ihre Geschwindigkeit bei 4 mmol um 2,2 – 5,3 % steigern. Jedoch wurde auch bei drei von vier Athlet*innen, die während oder in der Woche nach dem Lehrgang krank wurden und diesen trotzdem bis zum Ende durchgezogen haben, eine Reduktion der Geschwindigkeit bei 4 mmol von 3,6 – 8,5 % festgestellt. Faktoren, die zur Leistungssteigerung geführt haben könnten sind eine mögliche erhöhte Hämoglobinmasse, eine verbesserte Pufferkapazität der Muskulatur durch Hypoxie induzierte Adaptationen oder eine verbesserte Bewegungsökonomie [1, 3, 5].

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Monitoring Acclimatization and Training Responses Over 17-21 Days at 1,800 m in Elite Cross-Country Skiers and Biathletes.", die 2022 im „Frontiers in Sports and Active Living 4" veröffentlicht wurde.

Quellen

Øyvind Karlsson, Marko S. Laaksonen, and Kerry McGawley. 2022. Monitoring Acclimatization and Training Responses Over 17-21 Days at 1,800 m in Elite Cross-Country Skiers and Biathletes. Frontiers in Sports and Active Living 4, 852108. DOI: doi.org/10.3389/fspor.2022.852108.

[1]       P. Bärtsch and B. Saltin. 2008. General introduction to altitude adaptation and mountain sickness. Scandinavian journal of medicine & science in sports 18 Suppl 1, 1–10. DOI: doi.org/10.1111/j.1600-0838.2008.00827.x.

[2]      Martin Burtscher, Martin Niedermeier, Johannes Burtscher, Dominik Pesta, Jiri Suchy, and Barbara Strasser. 2018. Preparation for Endurance Competitions at Altitude: Physiological, Psychological, Dietary and Coaching Aspects. A Narrative Review. Front. Physiol. 9, 1504. DOI: doi.org/10.3389/fphys.2018.01504.

[3]      Gregoire P. Millet, B. Roels, L. Schmitt, X. Woorons, and J. P. Richalet. 2010. Combining hypoxic methods for peak performance. Sports Med 40, 1, 1–25. DOI: doi.org/10.2165/11317920-000000000-00000.

[4]      Iñigo Mujika, Avish P. Sharma, and Trent Stellingwerff. 2019. Contemporary Periodization of Altitude Training for Elite Endurance Athletes: A Narrative Review. Sports Med 49, 11, 1651–1669. DOI: doi.org/10.1007/s40279-019-01165-y.

[5]        Trent Stellingwerff, Peter Peeling, Laura A. Garvican-Lewis, Rebecca Hall, Anu E. Koivisto, Ida A. Heikura, and Louise M. Burke. 2019. Nutrition and Altitude: Strategies to Enhance Adaptation, Improve Performance and Maintain Health: A Narrative Review. Sports Med 49, Suppl 2, 169–184. DOI: doi.org/10.1007/s40279-019-01159-w.

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