Krafttraining im Ausdauersport
Von Matthias Graf
Mit der Implementation von schwerem und explosiven Krafttraining in das Ausdauertrainingsprogram kann die Ausdauerleistungsfähigkeit im Laufen und Radfahren gesteigert werden. Zudem gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, dass durch ein Krafttraining die Ausdauerleistungsfähigkeit verschlechtert wird. Während der konzentrischen Phase einer Übung sollte die Bewegung maximal und schnellstmöglich ausgeführt werden. Die Autoren empfehlen einen ausreichend langen Zeitraum (12 Wochen), in welchem das Krafttraining regelmäßig in den Trainingsalltag eingebaut werden sollte.
Ein Potential, das es zu nutzen gilt
- Die Ausdauerleistung profitiert von Krafttraining
- Zu negativen Effekten auf die Ausdauerleistung durch ein Krafttraining gibt es keinerlei wissenschaftliche Evidenz
- Die konzentrische Phase der Bewegungsausführung sollte schnellstmöglich ausgeführt werden
- Krafttraining sollte konstant und langfristig (mindestens 12 Wochen) in den Trainingsalltag eingeplant werden
Hintergrund
In einer systematischen Übersichtsarbeit (Review) wurde die allgegenwärtige Frage von Krafttraining im Ausdauersport aus der Sicht des Ausdauersportes bearbeitet. Die relevanten Studien für dieses Review behandelten immer die Kombination aus Ausdauertraining und dazu Krafttraining im fortlaufenden Training. Das Krafttraining wurde unterteilt in:
- Schweres Krafttraining: Jedes Training mit dem Ziel zum Erhalt oder der Steigerung der Fähigkeit zur maximalen Kraftgenerierung der jeweiligen Muskulatur oder Muskelgruppe. In diese Kategorie kam das Training zwischen einer und 15 Wiederholungen des „One-Repetition-Maximum“ (1 RM)
- Explosives Krafttraining: Übungen mit dem Körpergewicht oder zusätzlichem Gewicht von bis zu 60% des 1 RM bei einer maximalen Mobilisierung der konzentrischen Arbeitsphase
Die Ergebnisse und dadurch Rückschlüsse auf die Wirkung des zusätzlichen Krafttrainings wurden mittels spezieller Leistungstests auf dem Rad oder beim Laufen ermittelt. Aufgrund der hohen Studienzahl konnte in diesen Sportarten auf eine hohe Studienqualität zurückgegriffen werden.
Ergebnisse
Neben der Vielzahl der positiven Effekte auf die Ausdauerleistung, ist es enorm wichtig zu verstehen, dass keinerlei negative Begleiterscheinungen durch eine Implementation des Krafttrainings in den Trainingsalltag festgestellt wurden (Tabelle 1). Gerade die maximale Geschwindigkeit, die maximale Leistung und die Zeit bis zur Erschöpfung an dieser Geschwindigkeit/Leistung werden durch das schwere Krafttraining gesteigert. Ebenso konnte die Ökonomie sowohl durch ein explosives Krafttraining bei Läufern als auch durch ein schweres Krafttraining beim Radfahren gesteigert werden. Zudem wurde gerade bei langen Einheiten (3 Stunden) in der letzten Stunde eine deutlich verbesserte Ökonomie durch das schwere Krafttraining im Radfahren festgestellt werden.
Tabelle 1: Effekte von schwerem und explosiven Krafttraining auf die Ausdauerleistung (Tabelle übersetzt aus dem Englischen und komplett übernommen aus Rønnestad und Mujika 2014)
Diskussion & Wirkmechanismen des Krafttrainings
Als Mechanismus für die verbesserte Leistung nach der Kombination von Ausdauer- und Krafttraining wird eine veränderte Rekrutierung der unterschiedlichen Muskelfasern aufgezählt. Eine Stärkung der langsamen, aber für eine Dauerleistung essenziellen, Typ-1-Fasern führt zu einer späteren Aktivierung der, schnellen und kräftigen aber dafür schnell ermüdenden, Typ-2-Fasern und somit zu einer ökonomischeren Arbeitsweise. Durch Typ-1-Fasern mit einem größeren maximalen Kraftpotential ermüden diese Fasern später und die weniger ökonomischen Typ-2-Fasern müssen insbesondere bei langen submaximalen Einheiten später und langsamer zugeschalten werden.
Des Weiteren kann es durch die Implementation von Krafttraining ins Ausdauertraining zu einer Veränderung der Muskelfaserzusammensetzung kommen. Im Verhältnis kommt es zu einer Erhöhung der intermediären Typ-2A-Fasern und einer Reduzierung der schnellsten und unökonomischen Typ-2X-Fasern. Diese Typ-2A-Fasern sind deutlich ermüdungsresistenter, jedoch weiterhin hoch glykolytisch und haben ein hohes Potential für einen maximalen Poweroutput. [1] Diese Ökonomisierung der Typ-2-Fasern wird mit einer verbesserten Ökonomie, einer verbesserten Ausdauerleistung, einer verzögerten Entleerung der Glykogenspeicher, einer reduzierten Gesamtmuskelermüdung, einem erhöhten Potential für hochintensive Leistungen nach einer längeren Belastung und einer verlängerten Dauer bei Einheiten/Tests bis zur Erschöpfung assoziiert [2–4].
Ein weiterer Mechanismus, welcher die Leistungssteigerung durch Krafttraining erklärt, ist die erhöhte Maximalkraft und/oder Kraftentwicklungsrate. Gerade die Kraftentwicklungsrate wird durch eine erhöhte neuronale Aktivierung der Muskulatur durch schweres Krafttraining mit maximaler Geschwindigkeit in der konzentrischen Arbeitsphase oder durch explosives Krafttraining erreicht. Dadurch wird einerseits die erforderliche Maximalkraft schneller erreicht und andererseits vermuten die Autoren, dass durch die kürzere relative Muskelkontraktionsdauer der Blutfluss weniger lang eingeschränkt ist.
Zudem ist durch eine erhöhte Maximalkraft bei submaximaler Belastung weniger aktivierte Muskelmasse erforderlich, um dieselbe Leistung zu erzielen. [5] Dadurch müssen einerseits weniger Muskelfasern dem metabolischen Reiz zeitgleich ausgesetzt werden und andererseits erhöht sich die Quantität an frischen Muskelfasern, welche dann in entscheidenden Rennsituationen eingesetzt werden können.
Gerade in Belastungen wie dem Skilanglaufen, in welcher der Dehnungs-Verkürzungszyklus eine Rolle spielt, sollte die Muskel-Sehnensteifigkeit, bis zu einem individuellen Optimum, erhöht werden. Diese kann sowohl mit schwerem als auch mit explosivem Krafttraining erhöht werden.
Auch die Bedenken einer zu starken Muskelhypertrophie widersprechen die Autoren, denn durch die physiologischen Prozesse im Körper ausgelöst durch das Ausdauertraining, wird der Hauptfaktor für Hypertrophie (mTOR = Signalweg für Muskelhypertrophie) gehemmt. Aufgrund dessen kommt es auch nicht zu einer Verschlechterung der Anzahl an Kapillaren pro Muskelfaser.
Handlungsempfehlungen
Das Krafttraining sollte dieselben Muskelgruppen ansprechen, wie in der Zielbewegung benötigt und zudem sportartspezifische Bewegungen imitieren. Außerdem sollte die Bewegung in der konzentrischen Phase schnellstmöglich durchgeführt werden, um größere Effekte für die Maximalkraft und die Kraftentwicklungsrate zu erzielen. Als geeigneten Interventionszeitraum werden 12 Wochen mit einem Krafttraining zwei Mal pro Woche angesehen. Aufgrund der Tatsache, dass in den ersten Einheiten nach dem ungewohnten Krafttraining die Beine schwer und müde sind, sollte in den ersten Wochen (2-3) des Trainingszyklus das Ausdauertraining eher auf einem geringeren Level gehalten werden, um an die Belastung gewöhnt zu werden. Für diesen Umstand bietet sich gerade die Periode nach der Wettkampfsaison an, um mit dem Krafttraining zu beginnen, da hier die restliche Belastung geringer gehalten werden kann.
Die Inhalte basieren auf dem Originalartikel "Optimizing strength training for running and cycling endurance performance: A review.", der 2014 in „Scandinavian journal of medicine & science in sports" veröffentlicht wurde.
Quellen
B. R. Rønnestad and I. Mujika. 2014. Optimizing strength training for running and cycling endurance performance: A review. Scandinavian journal of medicine & science in sports 24, 4, 603–612. DOI: doi.org/10.1111/sms.12104
[1] P. Aagaard, J. L. Andersen, M. Bennekou, B. Larsson, J. L. Olesen, R. Crameri, S. P. Magnusson, and M. Kjaer. 2011. Effects of resistance training on endurance capacity and muscle fiber composition in young top-level cyclists. Scandinavian journal of medicine & science in sports 21, 6, e298-307. DOI: doi.org/10.1111/j.1600-0838.2010.01283.x.
[2] E. F. Coyle, L. S. Sidossis, J. F. Horowitz, and J. D. Beltz. 1992. Cycling efficiency is related to the percentage of type I muscle fibers. Medicine and science in sports and exercise 24, 7, 782–788.
[3] R. C. Hickson, B. A. Dvorak, E. M. Gorostiaga, T. T. Kurowski, and C. Foster. 1988. Potential for strength and endurance training to amplify endurance performance. Journal of applied physiology (Bethesda, Md. : 1985) 65, 5, 2285–2290. DOI: doi.org/10.1152/jappl.1988.65.5.2285.
[4] J. F. Horowitz, L. S. Sidossis, and E. F. Coyle. 1994. High efficiency of type I muscle fibers improves performance. International journal of sports medicine 15, 3, 152–157. DOI: doi.org/10.1055/s-2007-1021038.
[5] L. L. Ploutz, P. A. Tesch, R. L. Biro, and G. A. Dudley. 1994. Effect of resistance training on muscle use during exercise. Journal of applied physiology (Bethesda, Md. : 1985) 76, 4, 1675–1681. DOI: doi.org/10.1152/jappl.1994.76.4.1675.
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