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Studie

Ein Vergleich der Auswirkungen von einer langen vs. zwei kurzen Schwelleneinheiten

Von Matthias Graf

Diese Studie untersuchte die Auswirkungen von einer langen Schwelleneinheit (6x10 min - Single) verglichen mit zwei kürzeren Schwelleneinheiten (2*(3x10 min) - Double) am Vor- und Nachmittag. Die Belastungszeit und Belastungsintensität wurden konstant gehalten. Eine solche Trainingspraxis wurde als „Double Threshold Training“ bekannt. Diese Studie ist die erste, welche diese Trainingspraxis wissenschaftlich untersucht hat. Durchgeführt wurden die Intervalle auf dem Laufband bei einer Steigung von 10.5%. Single hatte zur Folge, dass die internalen Belastungsmarker wie Herzfrequenz, Laktat, RPE in der zweiten Hälfte der Intervalle ansteigen. Zudem waren diese auch erhöht, wenn die zweite Hälfte von Single mit der zweiten Einheit von Double verglichen wird. Bei Double hatte die zweite Einheit geringere internale Belastungsmarker als die erste Einheit. Das subjektive Belastungsempfinden sowie die subjektive Ermüdung waren bei Double geringer als bei Single. Bei Single lag ein höherer Trainingsreiz vor und um den gleichen Trainingsreiz zu erreichen, hätte bei Double zusätzlich 10 Minuten Schwellenbelastung trainiert werden müssen.

 

Eine physiologische und psychologische Auswertung der Einheiten

  • Die zweite Hälfte einer langen Schwelleneinheit ist gekennzeichnet durch eine Erhöhung der internalen Belastungsmarker verglichen mit der ersten Hälfte und der zweiten Einheit bei Double Threshold
  • Trotz gleicher Intensität liegen bei der zweiten Einheit verglichen mit der ersten Einheit geringere Werte in Herzfrequenz, Laktat, Glukose vor
  • Eine lange Einheit führt zu einem größeren Trainingsreiz und beeinflusst die subjektive Regeneration
  • Mehr Trainingsvolumen in der angestrebten Schwellenintensität ist mit zwei Einheiten möglich
  • Für den gleichen Trainingsreiz muss bei zwei Einheiten die Intensität erhöht werden, wenn die Belastungszeit konstant bleibt

Einleitung

In der wissenschaftlichen Literatur wird neben dem essentiellen Grundlagenbereich oftmals das hochintensive Training als entscheidend für die Leistungsentwicklung angesehen [10, 12]. Jedoch gibt es in letzter Zeit einige retrospektive Studien von Weltklasseathlet*innen, die beschreiben, dass diese neben einem hohen Umfang im Grundlagenbereich vor allem im Schwellenbereich und weniger Volumen im hochintensiven Bereich trainieren [1–3, 9]. Für die Entwicklung der Ausdauerleistung, muss ein ausreichender Stimulus an Belastung durch die Stellschrauben Trainingsvolumen, -Intensität und -Häufigkeit gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang wurde in letzter Zeit das „Double Threshold Training“ bekannt. Hierbei werden zwei anstatt einer Schwelleneinheit am selben Tag trainiert. Diese Methode ist im Mittel- und Langstreckenlauf gut etabliert [2, 5, 14] und hat den Ansatz, das Volumen von einer Schwelleneinheit in zwei kürzere Einheiten aufzuteilen. Dadurch soll eine größere Gesamtzeit in der Schwellenintensität geschafft werden, ohne dass die Intensität verringert werden muss oder die Belastungsintensität das Schwellentraining übersteigt. Die internale Belastungsintensität liegt hierbei typischerweise zwischen 82-87% der maximalen Herzfrequenz, 2-4 mmol/L Laktat und beim Belastungsempfinden (RPE – Rate of perceived exertion) zwischen 12 und 16 auf der Borgskala [2, 10].  Mit einer erhöhten Gesamtzeit im Schwellenbereich werden positive Leistungsanpassungen in wettkampfentscheidenden Faktoren assoziiert.  Zudem kann durch das Aufteilen der Einheiten das Verletzungsrisiko durch eine geringere mechanische Belastung in Kombination mit einer geringeren metabolischen und autonomen Beeinträchtigung (geringere Erholungszeit) reduziert werden [2, 6]. Neben der beschriebenen Gesamtzeit wird teilweise auch ein weiterer Ansatz mit dieser Methodik verfolgt. Durch die Aufteilung der Einheiten soll in den Schwelleneinheiten eine erhöhte Leistung möglich sein. Dadurch wird ein größerer externaler Trainingsreiz (= höhere Leistung/Geschwindigkeit) bei gleichbleibender internaler Belastung (Laktat, RPE, Herzfrequenz) erreicht [2, 6]. Obwohl das „Double Threshold Training“ schon in der Praxis durchgeführt wird, gibt es keine Studien, die diesen Ansatz untersucht haben. Aus diesem Grund wurde in dieser Studie eine lange gegen zwei kürzere Schwelleneinheiten untersucht. Die Belastungsintensität und -Zeit war genau dieselbe.

 

Methoden

14 männliche Ausdauerathleten (11x Langlauf, 3x Laufen; VO2max 69.2 ±4.2 mL/min/kg) nahmen an dieser Studie teil. Nach einem Laufbandtest wurde die Belastungsintensität festgelegt. Anschließend wurden zwei Trainingstage zu Fuß auf dem Laufband durchgeführt. Die Trainingstage bestanden einmal aus einer Schwelleneinheit (Single) und einmal aus zwei Schwelleneinheiten (Double) mit einer Pause von 6.5 Stunden dazwischen. Das Intervallprogramm bestand aus 6x10 Minuten (Single) und zweimal 3x10 Minuten (Double) Schwellenbelastung. Die Schwellenintensität lag immer bei 90% der individuellen Geschwindigkeit bei 4mmol/L Laktat und die Laufbandsteigung wurde auf 10.5% eingestellt. Diese Intensität wird in der Praxis als gängige Belastung für diese Einheit angesehen. Die hohe Steigung wurde gewählt, damit die physiologischen Effekte bei der Lauftechnik isoliert werden konnten und diese keine Auswirkung auf die Ergebnisse hat. Zudem wurde ein standardisiertes Aufwärm- und Auflaufprogramm durchgeführt. Dieses führt Single am Trainingstag ebenfalls 6.5 Stunden später durch. Somit war die Intensität und Belastungszeit vollkommen identisch bei beiden Trainingstagen. Die Pausenzeit zwischen den Intervallen betrug 2 Minuten. Die Ernährung wurde vor beiden Einheiten gleich gehalten und auch während den Einheiten und der Erholung wurde eine standardisierte Menge an Kohlenhydraten zugeführt.

Als physiologische Parameter wurden VO2, Atemzeitvolumen, RER (respiratory exchange ratio), Herzfrequenz (HF), Laktat, Glukose und RPE analysiert. Als Marker der autonomen Erholung wurde sowohl vor als auch nach der Einheit die Herzfrequenz in Rückenlage gemessen. Zusätzlich wurden vor jeder Einheit die subjektive Motivation und Trainingsbereitschaft abgefragt. Nach der Einheit wurde subjektiv die Intensität (sRPE - Session RPE) angegeben. Am nächsten Morgen wurde jeweils der gefühlte Trainingsstress und die Erholung abgefragt.

Bei Single wurde bei der Analyse zudem zwischen einem ersten (Intervall 1-3) und zweiten (Intervall 4-6) Teil unterschieden. Double bestand somit zweimal aus dem ersten Teil (Intervall 1-3).

 

Ergebnisse

Akute physiologische Reaktionen

Bei Single war die Herzfrequenz im zweiten Teil der Intervalle um 2.8 ±1.8% erhöht. Bei Double dagegen war die HF in der zweiten Einheit um 2.5 ±2.3% geringer. Wird die zweite Einheit mit dem zweiten Teil aus Single verglichen, so war bei Double die HF um 4.2 ±2.8% geringer. Die Sauerstoffaufnahme zwischen den Protokollen war nicht unterschiedlich, jedoch erhöhte sich das Atemzeitvolumen im zweiten Teil von Single um 6.7 ±3.5%. Zudem war dieses im zweiten Teil um 4.9 ±3.9% erhöht verglichen mit der zweiten Einheit von Double. Auch das Laktat und die Glukose waren bei Single im zweiten Teil um 0.46 ±0.50 und 0.54 ±0.70 mmol/L erhöht, jedoch bei Double in der zweiten Einheit um 0.59 ±0.65 und 0.32 ±0.44 mmol/L verringert. Insgesamt wurden in der zweiten Hälfte von Single verglichen mit der zweiten Einheit von Double um 0.91 ±0.88 und 0.46 mmol/L erhöhte Laktat- und Glukosewerte festgestellt. Diese Ergebnisse gehen einher mit den Veränderungen beim subjektiven Belastungsempfinden. Dieses war erhöht im zweiten Teil bei Single und verringert bei der zweiten Einheit von Double.

Herzfrequenz in Rückenlage sowie subjektiver Trainingsstress und Erholung

Die HF in Rückenlage war während der Erholung (Zeitraum: 30 – 60 Minuten nach Belastung) um 7.8-9.4% bei Single höher als beim Durchschnitt von Double. Bei Double wurden zwischen beiden Einheiten keine Unterschiede festgestellt.

Die zweite Einheit von Double war durch eine geringere subjektive Motivation als die erste Einheit gekennzeichnet. Nach den Einheiten lag keine subjektive unterschiedliche Einschätzung der Trainingseinheit vor, jedoch war am nächsten Morgen die gefühlte (muskuläre) Ermüdung bei Single erhöht.

 

Diskussion

Trotz einheitlicher Belastungszeit und -Intensität kommt es bei einer langen Schwelleneinheit zu einem Belastungsdauer bedingtem Drift der internalen Belastungsmarker. Resultierend daraus liegen höhere physiologische und subjektive Belastungen verglichen mit Double vor. Diese Beobachtungen stellen statistisch gesehen einen großen Effekt dar, wodurch diese Ergebnisse für die Praxis als sehr relevant anzusehen sind. Die Zunahme der HF obwohl die Sauerstoffaufnahme und der Energieverbrauch gleich bleiben, beschreibt einen kardiovaskulären Drift. Dieser kann häufig bei langanhaltenden Ausdauerbelastungen festgestellt werden [7]. Die Ursache dafür sind ein reduziertes Schlagvolumen und eine gesteigerte sympathische Aktivität des Nervensystems [11]. Die erhöhten Laktat- und Glukosewerte im zweiten Teil von Single deuten darauf hin, dass im Verlauf der Einheit der Betrag der glykolytischen Energiegewinnung zunimmt. Diese Beobachtung wurde in weiteren Studien ebenfalls während Grundlageneinheiten gemacht und ist durch die zunehmende Rekrutierung von schnell zuckenden Muskelfasern zu erklären [4, 8].

Die Reduktion der internalen Marker in der zweiten Einheit bei Double steht im Einklang zu Forschungsergebnissen derselben Forschungsgruppe. Diese konnte bei der zweiten Einheit im Grundlagenbereich am selben Tag bei Langläufern eine reduzierte HF und Laktatwerte feststellen [13]. Die Gründe für diese veränderten physiologischen Parameter können anhand des jetzigen Standes der Wissenschaft nicht erklärt werden und sind daher rein spekulativ.

Aus physiologischer Betrachtungsweise kann jedoch zusammengefasst werden, dass eine lange Schwelleneinheit einen größeren Trainingsreiz darstellt als zwei Einheiten mit gleicher Belastungszeit und -Intensität. Zudem kann aufgrund der geringeren Belastung bei Double eine höhere Gesamtbelastungszeit im Schwellenbereich erreicht werden.

Bei Single war die Herzfrequenz in Rückenlage über 60 Minuten höher als bei Double, was ebenfalls verdeutlicht, dass Single eine physiologisch höhere Beanspruchung darstellt. Dieser erhöhte Trainingsstimulus kann sich auf die Erholung auswirken. Eine schlechtere Erholung in Single wird durch die erhöhte subjektive Ermüdung am nächsten Morgen deutlich. Zudem gaben die Athleten an, dass die Muskulatur stärker ermüdet war als am Tag nach Double.

Diese Studie macht deutlich, dass durch ein Double Threshold Training die Belastungsintensität im Schwellenbereich besser aufrecht gehalten werden kann, ohne dass es zu einem Drift in höhere Belastungszonen kommt. Des Weiteren liegt bei Double ein geringerer Belastungsreiz vor. Wird in der Trainingsplanung jedoch derselbe Trainingsreiz angestrebt, dann müsste Double in dieser Studie 10 Minuten an zusätzlicher Schwellenbelastung trainieren. Das hätte zur Folge, dass ein größeres Trainingsvolumen im Schwellenbereich erreicht wird.

Als weiteren Ansatz kann der Trainingsreiz kann jedoch auch durch eine Erhöhung der Belastungsintensität während Double ausgeglichen werden. Hierbei gilt jedoch die Prämisse, dass die internalen Belastungsmarker weiterhin im Schwellenbereich liegen. Der Vorteil einer erhöhten Intensität besteht darin, dass zusätzliche Muskelfasern rekrutiert werden, welche von den angestrebten Adaptationen profitieren können. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass durch eine zu starke Intensitätssteigerung oder durch den belastungsbedingten Drift ein veränderter Trainingsstimulus entsteht und infolgedessen veränderte und ungewollte molekulare Anpassungen auftreten. Aus diesem Grund sollte die Belastung während den Einheiten genau überwacht werden.

Die Inhalte basieren auf den Originalartikeln "Comparison of acute physiological responses between one long and two short sessions of moderate-intensity training in endurance athletes." , die 2024 in „Frontiers in physiology" veröffentlicht wurde.

Quellen

Rune Kjøsen Talsnes, Per-Øyvind Torvik, Knut Skovereng, and Øyvind Sandbakk. 2024. Comparison of acute physiological responses between one long and two short sessions of moderate-intensity training in endurance athletes. Front. Physiol. 15, 1428536. DOI: doi.org/10.3389/fphys.2024.1428536.

[1]      Mark Burnley, Shawn E. Bearden, and Andrew M. Jones. 2022. Polarized Training Is Not Optimal for Endurance Athletes. Medicine and science in sports and exercise 54, 6, 1032–1034. DOI: doi.org/10.1249/MSS.0000000000002869.

[2]      Arturo Casado, Carl Foster, Marius Bakken, and Leif I. Tjelta. 2023. Does Lactate-Guided Threshold Interval Training within a High-Volume Low-Intensity Approach Represent the "Next Step" in the Evolution of Distance Running Training? International journal of environmental research and public health 20, 5. DOI: doi.org/10.3390/ijerph20053782.

[3]      Thomas Haugen, Øyvind Sandbakk, Stephen Seiler, and Espen Tønnessen. 2022. The Training Characteristics of World-Class Distance Runners: An Integration of Scientific Literature and Results-Proven Practice. Sports medicine - open 8, 1, 46. DOI: doi.org/10.1186/s40798-022-00438-7.

[4]      J. G. Hopker, C. O'Grady, and B. Pageaux. 2017. Prolonged constant load cycling exercise is associated with reduced gross efficiency and increased muscle oxygen uptake. Scandinavian journal of medicine & science in sports 27, 4, 408–417. DOI: doi.org/10.1111/sms.12673.

[5]      Bence Kelemen, Ottó Benczenleitner, and László Tóth. 2023. Norwegian double-threshold method in distance running. sci. j. sport perform. 3, 1, 38–46. DOI: doi.org/10.55860/NBXV4075.

[6]      Marius Bakken. 2022. The Norwegian model of lactate threshold training and lactate controlled approach to training. (2022). Retrieved from .

[7]      Ed Maunder, Stephen Seiler, Mathew J. Mildenhall, Andrew E. Kilding, and Daniel J. Plews. 2021. The Importance of 'Durability' in the Physiological Profiling of Endurance Athletes. Sports Med 51, 8, 1619–1628. DOI: doi.org/10.1007/s40279-021-01459-0.

[8]      B. R. Rønnestad, E. A. Hansen, and T. Raastad. 2011. Strength training improves 5-min all-out performance following 185 min of cycling. Scandinavian journal of medicine & science in sports 21, 2, 250–259. DOI: doi.org/10.1111/j.1600-0838.2009.01035.x.

[9]      Øyvind Sandbakk, David B. Pyne, Kerry McGawley, Carl Foster, Rune K. Talsnes, Guro S. Solli, Grégoire P. Millet, Stephen Seiler, Paul B. Laursen, Thomas Haugen, Espen Tønnessen, Randy Wilber, Teun van Erp, Trent Stellingwerff, Hans-Christer Holmberg, and Silvana Bucher Sandbakk. 2023. The Evolution of World-Class Endurance Training: The Scientist's View on Current and Future Trends. International Journal of Sports Physiology and Performance -1, aop, 1–5. DOI: doi.org/10.1123/ijspp.2023-0131.

[10]    Stephen Seiler. 2010. What is best practice for training intensity and duration distribution in endurance athletes? International Journal of Sports Physiology and Performance 5, 3, 276–291. DOI: doi.org/10.1123/ijspp.5.3.276.

[11]    Amine Souissi, Monoem Haddad, Ismail Dergaa, Helmi Ben Saad, and Karim Chamari. 2021. A new perspective on cardiovascular drift during prolonged exercise. Life sciences 287, 120109. DOI: doi.org/10.1016/j.lfs.2021.120109.

[12]    Thomas L. Stöggl and Billy Sperlich. 2015. The training intensity distribution among well-trained and elite endurance athletes. Front. Physiol. 6, 295. DOI: doi.org/10.3389/fphys.2015.00295.

[13]    Rune K. Talsnes, Sigrid Nordgården, Jan Kocbach, and Guro S. Solli. 2022. One Long Versus 2 Short Sessions? Physiological and Perceptual Responses to Low-Intensity Training at Self-Selected Speeds in Cross-Country Skiers. International Journal of Sports Physiology and Performance, 1–9. DOI: doi.org/10.1123/ijspp.2022-0212.

[14]    Leif I. Tjelta. 2019. Three Norwegian brothers all European 1500 m champions: What is the secret? International Journal of Sports Science & Coaching 14, 5, 694–700. DOI: doi.org/10.1177/1747954119872321.

 

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