Skip to main content
Studie

Intervalltraining im mittleren Intensitätsbereich – Niemandsland oder Best-Practice?

Von Yannick Schwarz

Neben hochintensivem Intervalltraining oberhalb der anaeroben Schwelle zeigen Untersuchungen, dass auch Intervalltraining im mittleren Intensitätsbereich die Ausdauerleistungsfähigkeit verbessern kann.

Eine aktuelle Untersuchung an Elite-Biathlet*innen und –Langläufer*innen zeigt, dass zwei Intervalleinheiten pro Woche mit einer effektiven Belastungsdauer von circa 60 Minuten bei 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz, zu verbesserter Time-Trial-Leistung (4%) führen. Bei der Vergleichsgruppe, welche vier wöchentliche Einheiten bei effektiver Belastungsdauer von circa 30 Minuten absolvierte, wurden im Untersuchungszeitraum keine Veränderungen hervorgerufen.

Daher ist zu vermuten, dass die effektive Belastungsdauer bei Intervalltraining im mittleren Intensitätsbereich eine Dauer von 30 Minuten deutlich überschreiten muss, um Anpassungen im Sinne der Ausdauerleistungsfähigkeit hervorzurufen.

Außerdem kann die Leistungsverbesserung in der Experimentalgruppe auf positive Anpassungen der Bewegungsökonomie (3%) und einer erhöhung der Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle (6%) zurückgeführt werden. Eine Verbesserung der VO2max, wie bei hochintensivem Intervalltraining zu beobachten ist, konnte hingegen nicht festgestellt werden.

Auf der Suche nach der richtigen Häufigkeit und Belastungsdauer

  • Intervalltraining (2x p.W. / ca. 60 min) im mittleren Intensitätsbereich (85% HFmax) verbessert die Ausdauerleistungsfähigkeit (Time-Trial-Performance)
  • Leistungsverbesserungen durch Training in diesem Bereich sind hauptsächlich auf verbesserte Bewegungsökonomie und eine höhere Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle zurückzuführen
  • Die effektive Belastungsdauer für einen Trainingswirksamenreiz im mittleren Intensitätsbereich sollte mehr als 60 Minuten betragen
  • Für positive Veränderungen der VO2max scheinen höhere Intensitäten notwendig

Optimierung von Intervalltraining

Der Frage nach der optimalen Intensität, Dauer und Häufigkeit von Intervalltraining zur Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit wurde in den letzten Jahren, besonders von norwegischen Wissenschaftlern, viel Aufmerksamkeit gewidmet [1]. Die meisten Studien konzentrierten sich in der Vergangenheit allerdings auf Intensitäten an oder oberhalb der anaeroben Schwelle (HIIT) und untersuchten selten mittlere Intensitäten (82-87% HFmax; siehe Tab. 2) darunter. Dieser Fokus ist womöglich auf Übersichtsartikel zurückzuführen, die polarisiertes Training gegenüber pyramidalem Training favorisieren und die Wirksamkeit von Training im mittleren Intensitätsbereich in Frage stellen [2]. Dennoch gibt es ebenfalls Untersuchungen und Beispiele aus dem Spitzensport, welche positive Leistungsanpassung durch Training im mittleren Intensitätsbereich hervorbringen.

Studiendesign und Intensitätsbereiche

Eine aktuelle Studie von Tønnessen und Kollegen präsentiert nun neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Steuerung von Intervallen bei mittlerer Intensität. Sie stellten die Hypothese auf, dass zwei längere Intervalleinheiten bei mittlerer Intensität (85% HFmax) pro Woche positivere Anpassungen hervorrufen würden als vier kürzere Einheiten bei gleicher Intensität. Zur Überprüfung ihrer Hypothese rekrutierten sie 15 Elite-Biathlet*innen und –Langläufer*innen für eine Trainingsintervention von 12 Wochen und teilten diese in zwei verschiedene Gruppen auf. Beide Gruppen behielten in den Intervallen dieselbe effektive Belastungszeit pro Woche, unterschieden sich jedoch in ihrer Trainingsfrequenz und Belastungszeit pro Einheit (siehe Tab. 1).

Tabelle 1. Trainingsprotokoll der Untersuchungsgruppen mit Angabe der Häufigkeit (p.W.), Belastungs- und Entlastungsphasen (min), effektiver Belastungszeit pro Einheit [] und pro Woche

GruppeTrainingseinheiten pro WocheGesamt
Gruppe 1 (n = 9)1x p.W. 8x8min & 2min P [64min] und 1x 6x12min & 3min P [72min]136min
Gruppe 2 (n = 6)2x p.W.  4x8min & 2min P [32min] und 2x 3x 12min & 3min P [36min]136min

Um Veränderungen der Leistungsfähigkeit und damit verbunden physiologischen Größe messbar zu machen, mussten beide Gruppen vor und nach der Trainingsintervention einen 8 km Rollskitest, einen submaximalen Stufentest bis zu einer Laktatkonzentration von 4 mmol/l (um die anaerobe Schwelle zu bestimmen) und ein Rampentest zur Bestimmung der VO2max absolvieren.

Beachtlich war dabei, wie akribisch die Tests standardisiert wurden, um Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Beispielsweise wurden allen Athleten Rollski vom selben Hersteller gestellt und zwischen Pre- und Post-Test nicht benutzt, um Veränderung des Rollwiderstands zu vermeiden.

Auch die Einhaltung der Intensitätsbereiche (Tab. 2) gemäß der Trainingsintervention wurde über persönliche Betreuung und digitale Trainingsdokumentation inkl. Herzfrequenzaufzeichnung stetig überwacht. Neben den Intervalleinheiten durften die Athleten im Interventionszeitraum nur maximal eine weitere intensive Einheit pro Woche absolvieren und sollten die restliche Zeit im niedrigintensiven Bereich (Zonen 1-2) trainieren.

Tabelle 2. Trainingszonenmodell des Norwegischen Olympia Zentrum (nach Tønnessen et al., 2020)

Intensitätszone%HFmaxLaktatkonzentrationTrainingsbeispiele
592 - 1006,0 - 10,0 mmol/lIntervalltraining nahe oder mit maximaler Anstrengung. Erholungsphasen  70% - 90% der Belastungsphasen
487 - 924,0 - 6,0 mmol/lHochintensive Dauerbelastungen oder Intervalle mit hoher Belastung. Erholungsphasen ca. 50% der Belastungsphasen
382 - 872,5 - 4,0 mmol/lIntensive Dauerbelastungen, lange Intervalle. Erholungsphasen 20%-30% der Belastungsphasen
272 - 821,5 - 2,5 mmol/lDauerbelastungen bei mäßiger Intensität
155 - 72< 1,5 mmol/lregenerative Einheiten und niedrigintensive Dauerbelastungen

Ergebnisse

Zwei lange Intervalleinheiten pro Woche im mittleren Intensitätsbereich rufen über einen Zeitraum von 12 Wochen Verbesserungen der Leistungsfähigkeit hervor, während vier kürzere Einheiten pro Woche keine Veränderungen hervorriefen. 

  • 8 km Rollskitest: 4% Verbesserung in Gruppe 1; keine Verbesserung in Gruppe 2
  • VO2max: keine Veränderungen in beiden Gruppen
  • Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle: 6% höhere fraktionelle Ausschöpfung der VO2max in Gruppe 1; keine Veränderung in Gruppe 2
  • Bewegungsökonomie: 3% geringerer Sauerstoffverbrauch bei submaximaler Intensität in Gruppe 1; keine Veränderung in Gruppe 2

Trainingssteuerung basierend auf physiologischen Anforderungen

Die Autoren konnten mit ihrer Studie zeigen, dass die effektive Belastungsdauer von Intervalltraining zur Verbesserung der Ausdauerleistung sich je nach Intensität unterscheidet. Während bei Sprintintervalltraining (SIT) kumulierte Belastungszeit von sechs Minuten und bei HIIT zwischen 15 und 30 Minuten zu Verbesserung der Ausdauerleistung führen, ist bei mittlerer Intensität scheinbar eine Dauer von über 60 Minuten erforderlich.

Zudem wird im Hinblick auf die Trainingssteuerung erneut deutlich, dass physiologische Anpassungen intensitätsspezifisch sind. Diese Intensitätsabhängigkeit spiegelt sich in den Veränderungen der drei leistungsbestimmenden Laborparametern VO2max, prozentuale Ausnutzung der VO2max an der anaeroben Schwelle/Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle (%VO2max AS) und Bewegungsökonomie wieder. Die VO2max wurde in der hier durchgeführten Untersuchung nicht verbessert und auch aus vorherigen Studien wird offensichtlich, dass für Verbesserungen der VO2max Intensitäten oberhalb der anaeroben Schwelle notwendig sind. Diese hohe Intensität ist wichtig um einen starken Anstieg des Herzzeitvolumens (Herzfrequenz x Schlagvolumen) hervorzurufen, damit es langfristig zur Erhöhung des Schlagvolumens des Herzens und somit der VO2max kommen kann [3]. Mittlere Intensitäten von circa 85% HFmax reichen scheinbar nicht aus um das Herz-Kreislaufsystem stark genug zu beanspruchen.

Aber, sofern ausreichend Belastungszeit gegeben ist, sind mittlere Intensitäten ein wirksames Mittel um die %VO2max AS und Bewegungsökonomie zu verbessern. Es kann vermutet werden, dass diese längere Belastungszeit notwendig ist um beispielsweise Scherkräfte in den Gefäßen zu erzeugen, Kapillarbildung einzuleiten und so die prozentuale Ausnutzung zu erhöhen sowie die Bewegungsökonomie zu verbessern [4]. Die Bedeutung dieser beiden Parameter für die Wettkampfleistung im Langlauf wird durch die ebenfalls gesteigerte Performance von Gruppe 1 im 8km Rollskitest verdeutlicht. Dabei zeigen die Ergebnisse vor allem auch, dass Intervallbelastungen die sehr viel länger als die letztendliche Wettkampfzeit sind, zu positiven Veränderungen führen können.

Trainern steht somit ein weiterer Hinweis zur Verfügung um gezielt physiologische Systeme und damit Wettkampfleistung durch Intervalltraining zu stimulieren. Die richtige Auswahl von Intervalldauer und –Intensität könnte dabei von den physiologischen Stärken/Schwächen der Athlet*innen abhängen.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie " Influence of Interval Training Frequency on Time-Trial Performance in Elite Endurance Athletes", die 2020 im „International Journal of Environmental Research and Public Health" veröffentlicht wurde.

Quellen

Tønnessen, E., Hisdal, J., & Ronnestad, B. R. (2020). Influence of Interval Training Frequency on Time-Trial Performance in Elite Endurance Athletes. International Journal of Environmental Research and Public Health, 17(9), 3190. https://doi.org/10.3390/ijerph17093190

  1. Rosenblat, M. A., Lin, E., da Costa, B. R., & Thomas, S. G. (2021). Programming Interval Training to Optimize Time-Trial Performance: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Medicine, 51(8), 1687–1714. https://doi.org/10.1007/s40279-021-01457-2
     
  2. Rosenblat, M. A., Perrotta, A. S., & Vicenzino, B. (2018). Polarized vs. Threshold training intensity distribution on endurance sport performance: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. 10.
     
  3. Lundby, C., Montero, D., & Joyner, M. (2017). Biology of VO2max: Looking under the physiology lamp. Acta Physiologica, 220(2), 218–228. https://doi.org/10.1111/apha.12827
     
  4. Joyner, M. J., & Coyle, E. F. (2008). Endurance exercise performance: The physiology of champions: Factors that make champions. The Journal of Physiology, 586(1), 35–44. https://doi.org/10.1113/jphysiol.2007.143834
hashtag__intervalle
hashtag__ausdauer
getaggt mit: #Intervalle #Ausdauer