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Studie

Voll ins Schwarze – Was hängt alles dran an einem Treffer?

Von Hannes Kock

Die Schießleistung im Biathlon macht je nach Event 30-50% der Endleistung aus und wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Zentrale und lokale Ermüdung durch körperliche Vorbelastungen haben einen negativen Einfluss auf die Schießleistung. Erfolgreichere Athleten zeigen eine bessere Schießleistung, durch effizientere Handlungsstrategien auf kardiovaskulärer und kortikaler Ebene im Abzugsverhalten als weniger erfolgreiche. Dies ermöglicht ihnen trotz Ermüdung im richtigen Zeitpunkt den Fokus zu setzen und mit optimalem Ergebnis den Schießstand zu verlassen. Ein ganzheitlicher Ansatz aus Sportler-Waffe-System kann Defizite aufdecken und proaktiv mit gezielten Trainingsformen aufgearbeitet werden.

Schießtechnik und Hintergründe

  • Erfolgreichere Biathleten/-innen zeichnen sich durch eine gute Schießleistung aus.
  • Die Schießleistung erfordert eine gute Körperwahrnehmung und Selbstregulation.
  • Vorbelastungen sorgen für eine Destabilisierung des Körpers, wodurch die Schießleistung negativ beeinflusst wird.
  • Biofeedback Strategien und gezieltes Training können die Schießleistung maßgeblich verbessern.

Hintergrund

Sportartspezifische Forschung ist im Biathlon selten. Sucht man bei SPONET unter Biathlon findet man etwas mehr als 500 Beiträge während es für Langlauf bereits 2000 und für Schwimmen fast 8000 sind. Die Forschungsergebnisse aus beiden Einzeldisziplinen Langlauf und Schießen bieten grundsätzlich eine gute Grundlage, aber da der Biathlonsport auch viele besondere Anforderungen hat sind sportartspezifische Erkenntnisse natürlich von großer Bedeutung.

In einer Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2018 wurden die drei Themenbereiche Laufleistung, Schießtechnik und psychophysiologische Aspekte wie Herz- und Hirnaktivität beim Schießen zusammengefasst. Da die Ausführungen zur Laufleistung jedoch eher allgemein gehalten sind und es insbesondere zu den Leistungsdeterminanten neuere Untersuchungen gibt (Link) werden im Folgenden nur die Kernaussage zu den schießrelevanten Themen aufgearbeitet.

Welche Faktoren bedingen die Schießleistung?

Prinzipiell unterscheidet sich die Schießleistung (Schussgenauigkeit) zwischen Männern und Frauen nicht und beträgt im Durchschnitt >95% bei Medaillengewinnern/-innen bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Die Schießleistung macht 30– 50% der Endleistung – je nach Event (Sprint – Einzel) aus und ist abhängig von unterschiedlichen Faktoren wie der Vorbelastung durch den Laufanteil, der Schießzeit, Wetterveränderungen, aber auch spezifischen Gegebenheiten am Schießplatz (Mattenoberfläche, Stand etc.) [1]. Das Messen genannter Faktoren kann im Training erfolgen und über Feedback-Methoden Veränderungen an der Schießposition hervorbringen, was unmittelbar in einer verbesserten Schießleistung resultieren kann.

Die Analyse der Schießtechnik kann auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen. In Abb.1 sieht man eine Biathletin, die während des stehenden Anschlages auf einer Kraftmessplatte steht. Mittels dieses Messverfahrens können Erkenntnisse über die posturale Stabilität im stehenden Anschlag gewonnen werden. Dabei werden Abweichungen in der Körperlängsachs sowie -querachse gemessen [3]. Schwankungen von Fußballen in Richtung Ferse (Körperlängsachse)verlaufen entgegen der Schusslinie, wohingegen Schwankungen zwischen linkem und rechtem Fuß (Körperquerachse) innerhalb der Schusslinie verlaufen.

Erfolgreichere Biathleten/-innen weisen geringere Schwankungen innerhalb beider Körperachsen auf, als weniger erfolgreiche [11]. Dabei sind geringere Schwankungen in der Körperlängsachse der beste Prädiktor für die Schießleistung. Entgegen der reinen Schießsportarten kommt es im Biathlon zu intermittierenden Belastungen zwischen dem Schießen, wodurch es zu einer Destabilisierung des Körpers, ausgelöst durch Ermüdung auf zentraler (HF↑, AF↑, RER↑) und lokaler Ebene (Fußmuskulatur, Beinmuskulatur etc.) kommen kann [12]. Dies resultiert in erhöhten Schwankungen der Körperlängsachse, wodurch das Trefferbild potentiell negativ beeinflusst wird. Der liegende Anschlag ist generell geringer beeinflusst als der stehende Anschlag, da liegend die Herzfrequenz stärker abgesenkt wird (50-60% HFmax liegen, 60-70% stehend) und auch die muskulären Kräfte im Liegen prinzipiell geringer sind als im Stand [5,6]. Das gezielte Schießtraining unter Vorbelastung sowie allgemeines Kraft-, Mobilitäts-, Balance- und propriozeptives Training können die posturale Stabilität und damit die Stabilisierung der Körperposition unter Schießbedingungen verbessern.

Ist es denn ausreichend einen stabilen Körper zu haben, um erfolgreich zu schießen?

Will man die Schießleistung analysieren und verstehen, ist es nicht ausreichend nur eindimensional auf den Körper von Sportlern*innen zu schauen. Vielmehr sollte das Sportler*in-Waffe-System in einem multifaktoriellen Modell betrachtet werden [3]. Die Stabilität der Waffe ist abhängig vom gesamten Körper und unterliegt somit auch Schwankungen die z.B. am Sprunggelenk entstehen. Für den stehenden Anschlag wurde ein starker Zusammenhang zwischen Schwankungen der Körperlängsachse und horizontaler Waffenschwankungen festgestellt, wohingegen vertikale Waffenschwankungen im liegenden Anschlag die größten negativen Auswirkungen auf die Schießleistung gezeigt haben [12]. Die Stabilisierung der Waffe in horizontaler Ebene im stehenden Anschlag oder in vertikaler Ebene im liegenden Anschlag während des Abzugsverhaltens (0 – 0.2s vor Schuss) erhöht somit die Trefferwahrscheinlichkeit. Spezifisches Training der Schießstrategie in Verbindung mit Atmung, Relaxation und Zielfokussierung können die Stabilität der Waffe in beiden Anschlägen verbessern und somit die Schießleistung positiv beeinflussen [8].

Das Abzugsverhalten kann in diesem Kontext als weiterer wichtiger Faktor der Schießleistung gesehen werden. Erfolgreiche Biathlet*innen sind in der Lage eine optimalere Abzugsdynamik auszubilden und zu halten, als weniger erfolgreiche Biathlet*innen und Nachwuchssportler*innen [13]. Dabei hat sich gezeigt, dass das Abzugsverhalten der erfolgreicheren Biathleten*innen beanspruchungsresistent ist. In der Gruppe der weniger erfolgreichen hingegen waren die gezielten Fingerbewegungen für den Abzug verzögert, was sich negativ auf die Schießleistungen auswirkt. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Integration von Schießen und Laufen in den Trainingsprozess elementar für die Etablierung neuronaler Kontrolle unter Ermüdung ist.

Wann ist der beste Zeitpunkt um abzudrücken?

Die naheliegende Antwort auf die Frage wäre: Wenn sich das Ringkorn im schwarzen Ziel befindet. Komplexer betrachtet wurde festgestellt, dass professionelle Biathleten/-innen den Abzug während der Erschlaffungsphase der Herzkammern, also wenn sich das Herz mit Blut füllt setzen, Anfänger hingegen sowohl während Auswurf- und Erschlaffungsphase [4]. Interessanterweise kann dieses an den Herzrhythmus angepasste Abzug Verhalten bei professionellen Schützen im Schießsport nicht beobachtet werden [10]. Ein möglicher Erklärungsansatz ist, dass die Kopplung von Herzrhythmus und Schussabgabe im Biathlon aufgrund der kardiovaskulären Vorbelastung bedeutsamer sein könnte. Um diese Theorie zu bestätigen ist allerdings mehr Forschung in diesem Bereich notwendig.

Die Kraft der Gedanken

Zusätzlich ist es interessant einen Blick in die Neurowissenschaft zu werfen und die Gehirnaktivitäten von Biathleten in Verbindung mit erfolgreichen Treffern zu setzen. Dazu gilt es die Hypothese der neuronalen Effizienz zu verstehen, die von einer geringeren Gehirnaktivierung bei Leistungssportlern in sportartspezifischen Fertigkeiten ausgeht. Das bedeutet also, dass die Schießleistung negativ beeinfluss werden kann, wenn zu viele Gedankenprozesse auf die eigene oder gegnerische Leistung gerichtet werden. Erfolgreiche Biathleten/-innen sind in der Lage bestimmte Hirnareale zu hemmen, wodurch die automatischen motorischen Programme ungehindert ablaufen können und nicht durch übermäßige visuelle Reize stimuliert werden. Zusätzlich hat sich gezeigt, dass diese Sportler/-innen das Ziel länger unmittelbar vor dem Schuss fixieren konnten, was bessere Schützen/-innen von schlechteren in Drucksituationen unterscheidet [7].

Fazit

Die Schießleistung im Biathlon sollte mehrperspektivisch betrachtet und ganzheitlichen in den Trainingsprozess integriert werden. Dabei können gezielte Störungen des Körpersystems wie z.B. durch Vorbelastungen wettkampfnahes Training simuliert und somit die Körperwahrnehmung und Selbstregulation von Sportlern nachhaltig verbessert werden. Hierbei sollte die Prämisse der Entwicklung individueller Strategien an oberster Stelle stehen.

Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "The influence of physiobiomechanical parameters, technical aspects of shooting, and psychophysiological factors on biathlon performance: A review." die 2018 im „Journal of Sport and Health Science" veröffentlicht wurde.

Quellen

Laaksonen, M. S., Finkenzeller, T., Holmberg, H.-C., & Sattlecker, G. (2018). The influence of physiobiomechanical parameters, technical aspects of shooting, and psychophysiological factors on biathlon performance: A review. Journal of Sport and Health Science, 7(4), 394–404.   

  1. Björklund G and Laaksonen MS(2022) The Determinants ofPerformance in Biathlon World CupSprint and Individual Competitions.Front. Sports Act. Living 4:841619.
     
  2. Buchecker, M., Sattlecker, G., Birklbauer, J., Wegenkittl, S., Lindinger, S. & Müller, E. (2015). Effects of fatigue on postural control strategies during Biathlon shooting - A nonlinear approach. In E. Müller, J. Kröll, S. Lindinger, J. Pfusterschmied & T. Stöggl (Hrsg.), Science and Skiing VI. 6th International Congress on Science and Skiing, Dec. 14 - 19, 2013, St. Christoph am Arlberg (, S. 495-504). Maidenhead: Meyer & Meyer Sport (UK) Ltd.
     
  3. Espig, N. (2013). Der Einfluss von Schwankungen des Gesamtsystems Sportler-Waffe auf die Laufmündungsdämpfung im Anschlag Stehend im Biathlonschießen. Leipziger Sportwissenschaftliche Beiträge, 54 (1), 128-132.
     
  4. Helin P, Sihvonen T, Hänninen O. Timing of the triggering action of shooting in relation to the cardiac cycle. Br J Sports Med. 1987;21(1):33-36.
     
  5. Hoffman, M. D., & Street, G. M. (1992). Characterization of the heart rate response during biathlon. International journal of sports medicine13(5), 390–394.
     
  6. Hoffman, M. D., Gilson, P. M., Westenburg, T. M., & Spencer, W. A. (1992). Biathlon shooting performance after exercise of different intensities. International journal of sports medicine13(3), 270–273.
     
  7. Janelle, C. M., Hillman, C. H., Apparies, R. J., Murray, N. P., Meili, L., Fallon, E. A., & Hatfield, B. D. (2000). Expertise differences in cortical activation and gaze behavior during rifle shooting. Journal of Sport & Exercise Psychology, 22(2), 167–182.
     
  8. Laaksonen, M. S., Ainegren, M. & Lisspers, J. (2011). Evidence of improved shooting precision in biathlon after 10 weeks of combined relaxation and specific shooting training. Cognitive Behaviour Therapy, 40 (4), 237-250. 
     
  9. Laaksonen, M. S., Finkenzeller, T., Holmberg, H.-C., & Sattlecker, G. (2018). The influence of physiobiomechanical parameters, technical aspects of shooting, and psychophysiological factors on biathlon performance: A review. Journal of Sport and Health Science, 7(4), 394–404.
     
  10. Mets, T., Konttinen, N., & Lyytinen, H. (2007). Shot placement within cardiac cycle in junior elite rifle shooters. Psychology of Sport and Exercise, 8, 169-177.
     
  11. Sattlecker, G., Buchecker, M., Gressenbauer, C., Müller, E. & Lindinger, S. J. (2017). Factors discriminating high from low score performance in biathlon shooting. International Journal of Sports Physiology and Performance, 12 (3), 377-384.
     
  12. Sattlecker, G., Buchecker, M., Müller, E. & Lindinger, S. J. (2014). Postural balance and rifle stability during standing shooting on an indoor gun range without physical stress in different groups of biathletes. International Journal of Sports Science and Coaching, 9 (1), 171-184. 
     
  13. Siebert, D. & Espig, N. (2013). Untersuchungen zur weiteren Vervollkommnung der Anschlagtechniken Liegend und Stehend im Biathlonschießen. In Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), BISp-Jahrbuch Forschungsförderung 2012/13 (, S. 97-102). Bonn: Bundesinstitut für Sportwissenschaft.
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