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Studie

Was passiert durch ein wiederholtes Sprinttraining mit zusätzlicher Hypoxie Exposition?

Von Matthias Graf

Intermittierende Belastungen werden für Sportler*innen immer wichtiger, da sich der Ausdauersport in den letzten Jahren kontinuierlich verändert hat und es zu einer veränderten Wettkampfgestaltung gekommen ist. Die Fähigkeit hohe, wiederholte Sprintleistungen (Repeated-sprint ability) abrufen zu können wird in der Wissenschaft und unter Trainern immer wichtiger und präsenter und ist entscheidend, um diese Belastungen meistern zu können. Um diese Trainingsform weiterzuentwickeln und verbessern, wurde zusätzlich eine normobarische Hypoxie (künstliche Reduktion des Sauerstoffgehaltes in der Luft, um eine Höhenexposition zu simulieren) hinzugefügt. Diese Trainingsform heißt „repeated sprint training under hypoxia (RSH)“.

In diesem Beitrag soll es darum gehen, welche Adaptationen mit RSH auf muskulärer Ebene erreicht werden können [6] und wie sich ein unterschiedliches Belastungs-Entlastungsverhältnis auf diese auswirken kann [4].

 

Zusätzliches Sprinttraining – ja! Aber wie?

  • Mit einem Sprinttraining kann die oxidative Kapazität gesteigert werden
  • Mit einer zusätzlichen Hypoxie während des Sprinttrainings (RSH) kann eine verbesserte Kapillarisierung erreicht werden
  • Mit einer verringerten Belastungs-Entlastungsverhältnis (1:4) können höhere Leistungswerte und ein verbesserte Sauerstoffversorgung der Muskulatur erzielt werden
  • Ein erhöhtes Belastungs-Entlastungsverhältnis (1:2) sorgt für stärkere Desoxygenierungen in der Muskulatur

Studie 1:

S. van der Zwaard, F. Brocherie, B. L. G. Kom, G. P. Millet, L. Deldicque, W. J. van der Laarse, O. Girard, and R. T. Jaspers. 2018. Adaptations in muscle oxidative capacity, fiber size, and oxygen supply capacity after repeated-sprint training in hypoxia combined with chronic hypoxic exposure.

 

18 professionelle Hockeyspieler wurden in 3 Gruppen eingeteilt. Der Interventionszeitraum war 14 Tage. 2 x 6 Spieler lebten für ≥14 Std/Tag in normobarischer Hypoxie (~ 14,2 % FIO2 ≙ 2800 – 3000 Meter) und trainierten das normale Hockeytraining unter regulären Sauerstoffgehalt Bedingungen (20,9 % FIO2 ≙ Meereshöhe). Sechs RSH wurden von einer Gruppe zusätzlich in der simulierten Höhe durchgeführt, wohingegen die zweite Gruppe das Sprinttraining ohne Hypoxie (RS) auf Meereshöhe durchführte. Eine zusätzliche Kontrollgruppe lebte und trainierte auf Meereshöhe und führte kein zusätzliches Sprinttraining durch. Die Höhenexposition wurde künstlich in einem Höhenhotel und Höhenkammern erzeugt. Die erste Studie entspricht einer doppelt verblindeten Studie, das heißt, dass weder Teilnehmer noch die entsprechenden Testleiter wussten, wer welche Trainingsform absolviert hat. Das RSH respektive RS besteht aus vier Sätzen mit 5 x 5 Sekunden maximalen Sprints und 25 Sekunden passiver Pause dazwischen. Die Satzpause besteht aus 5 Minuten passiver Stehpause. Muskelbiopsien wurden entnommen, um Veränderungen auf muskulärer Ebene zu untersuchen. Die RSH Gruppe mit der zusätzlichen normobarischen Hypoxie wird als LHTLH (live high – train low and high) bezeichnet. Die Gruppe mit dem Sprinttraining ohne zusätzliche Hypoxie führte ein LHTL (live high – train low) durch.

Ergebnisse und Diskussion:

Mittels der Succinat-Dehydrogenase (SDH) konnte die oxidative, mitochondriale Kapazität gemessen werden. Diese ist direkt proportional zu der VO2max. In beiden Gruppen mit dem entsprechenden Sprinttraining konnte die SDH in den Typ 1 und 2 Fasern um etwa 30 % gesteigert werden. Jedoch war 3 Wochen nach der Intervention war die SDH-Aktivität in den Typ 1 Fasern gegenüber der Gruppe RS um 12 % weiterhin erhört. Diese Steigerung ist bemerkenswert, da der Trainingszeitraum lediglich über 14 Tage und 6 zusätzliche Sprinteinheiten ging und kann durch eine lokale Hypoxie im Gewebe erklärt werden, da aufgrund einem Ungleichgewicht von Sauerstoffzufuhr und -Verbrauch Hypoxie induzierende Faktoren (HIF) verstärkt ausgeschüttet werden, was diese skelettalen Muskeladaptationen erklären kann [5]. Interessanterweise  konnten in einem ähnlichen Trainingsprogramm die oxidative Kapazität ausschließlich in der RSH Gruppe erhöht werden und nicht in der RS Gruppe [2].

Die Muskelfaserdicke blieb durch das LHTLH konstant wohingegen der Muskelquerschnitt in der LHTL und der Kontrollgruppe um 17 und 16 % gesteigert wurde. Die vorhandene Hypoxie abseits des Trainings kann diese Veränderungen somit nicht erklären, da in der RS-Gruppe außer in den Sprinteinheiten dieselben Bedingungen bezüglich des Sauerstoffgehaltes vorherrschten. Diese muskulären Veränderungen müssen somit durch die Sprinteinheiten unter Hypoxie und der hierbei vorherrschenden enormen Gewebehypoxie hervorgerufen werden, da der oxidative Stress hoch und der zelluläre Energiestatus (Verhältnis von AMP zu ATP) erniedrigt ist [7]. Zudem konnte die Kapillarendichte in der RSH verglichen mit den beiden anderen Gruppen um 9 % gesteigert werden. Entsprechend der enormen Steigerung in der Kapillarendichte schließen die Autoren auf eine verbesserte Sauerstoffdiffusion zu den entsprechenden Mitochondrien. Die Tatsache, dass die Myoglobinkonzentration durch das LHTLH zuerst verringert und dann wieder erhöht war, können sich die Autoren nicht erklären, sollen aber nicht unerwähnt bleiben. Mit der Hypoxie und dem zusätzlichen Sprinttraining konnten in allen Gruppen keine Veränderungen in der Muskelfaserverteilung festgestellt werden.

 

Studie 2:

Myles C. Dennis, Paul S. R. Goods, Martyn J. Binnie, Olivier Girard, Karen E. Wallman, Brian Dawson, Francois Billaut, and Peter Peeling. 2023. Repeated-sprint training in heat and hypoxia: Acute responses to manipulating exercise-to-rest ratio.

 

In dieser Studie wurde untersucht, welche Auswirkungen eine unterschiedliche Gestaltung der Belastungs-Entlastungsphasen in einem RSH hat. Neben der künstlich erzeugten Hypoxie (~3000 m, FIO2 0,144) wurde zusätzlich das Training in warmen 40 °C und 50 % Luftfeuchte durchgeführt, um einen zusätzlichen Hitzestimulus zu erzeugen. Weitere Informationen zum Hitzetraining findet ihr bei uns auf der Website unter: Hitzetraining - Vorstellung des aktuellen Trends im Leistungssport - Deutscher Skiverband - Biathlonwissen & Stammtisch SkisportWissen Nr. 13 - Hitzetraining: Wie können wir diesen neuen Trend im Ausdauersport für uns als Wintersportler*innen nutzen? - Deutscher Skiverband - Biathlonwissen. 12 männliche Sportler wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Die Einheiten wurden auf dem Radergometer durchgeführt.

  • Gruppe 1:4: 3 x 10 x 5 Sekunden Sprints mit 20 Sekunden aktiver Pause (~120 W) und aktiver Satzpause von 2,5 Minuten (Belastungsverhältnis 1:4)
  • Gruppe 1:2: 3 x 5 x 10 Sekunden Sprints mit 20 Sekunden aktiver Pause (~120 W) und aktiver Satzpause von 5 Minuten (Belastungsverhältnis 1:2)

Untersucht wurden mittlere und maximale Leistung, Körperkerntemperatur, oxygeniertes und desoxygeniertes Hämoglobin und die verrichtete Gesamtarbeit.

Ergebnisse und Diskussion:

Die Gruppe 1:4 konnte eine höhere mittlere und maximale Leistung über die Einheit und die entsprechenden Sätze erzeugen. Die Autoren schlussfolgern zusätzlich, dass das Belastungs-Entlastungsverhältnis eine höhere Auswirkung auf die Sprintleistung hat, als die Sprintdauer, da die Pausenzeit konstant gehalten wurde. Somit wurde diese Pausenzeit relativ gesehen verlängert, wodurch die anaeroben Energiesysteme besser regeneriert werden können und somit wiederum eine erhöhte Typ-2 Faserrekrutierung gewährleistet werden kann [1]. Durch eine höhere Leistung kommt es zudem zu einer verstärkten Ausschüttung von Stickstoffmonoxid, was zu einer Vasodilatation führt und somit zu einer verbesserten Blutzirkulation [3]. Hierdurch werden die peripheren Adaptationen (s.o.) unterstützt. Obwohl die Leistung geringer war, wurde die Muskulatur durch das 1:2 Belastungsverhältnis stärker desoxygeniert, wodurch ein verstärkter aerobe Energiestoffwechsel anzunehmen ist. Durch diese Desoxygenierung wird ein verringerter Sauerstoffpartialdruck in der Muskulatur erreicht, wodurch unterschiedliche Adaptationen erreicht werden (Anm. d. Red.: Kapillarisierung, Glykolytische Aktivität…). Je nach Ziel sollte somit eine unterschiedliches Belastungs-Entlastungsverhältnis gewählt werden. Mit einem 1:4 Training konnte eine Erhaltung der Leistung und dem Fluss der Muskelsauerstoffversorgung gewährleistet werden, wohingegen durch das 1:2 Training eine verstärkte Desoxygenierung der Muskulatur erreicht wurde.

Die 1:4 Gruppe konnte zudem ihre Körperkerntemperatur stärker steigern als die 1:2 Gruppe. Diese Steigerung wird vor allem auf die erhöhte mechanische Leistung zurückgeführt. Jedoch muss einschränkend erwähnt werden, dass beide Gruppen nicht die empfohlene Körperkerntemperatur von ~38,5°C erreicht haben, um die entsprechenden Hitzeanpassungen zu stimulieren.

Die Inhalte basieren auf den Originalartikeln "Adaptations in muscle oxidative capacity, fiber size, and oxygen supply capacity after repeated-sprint training in hypoxia combined with chronic hypoxic exposure." und "Repeated-sprint training in heat and hypoxia: Acute responses to manipulating exercise-to-rest ratio." , die 2018 in „Journal of applied physiology" und 2023 in "European journal of sport science" veröffentlicht wurden.

Quellen

[1]      G. C. Bogdanis, M. E. Nevill, H. K. Lakomy, C. M. Graham, and G. Louis. 1996. Effects of active recovery on power output during repeated maximal sprint cycling. European journal of applied physiology and occupational physiology 74, 5, 461–469. DOI: doi.org/10.1007/BF02337727.

[2]      F. Brocherie, G. P. Millet, G. D'Hulst, R. van Thienen, L. Deldicque, and O. Girard. 2018. Repeated maximal-intensity hypoxic exercise superimposed to hypoxic residence boosts skeletal muscle transcriptional responses in elite team-sport athletes. Acta physiologica (Oxford, England) 222, 1. DOI: doi.org/10.1111/apha.12851.

[3]      Darren P. Casey and Michael J. Joyner. 2012. Compensatory vasodilatation during hypoxic exercise: mechanisms responsible for matching oxygen supply to demand. The Journal of physiology 590, 24, 6321–6326. DOI: doi.org/10.1113/jphysiol.2012.242396.

[4]      Myles C. Dennis, Paul S. R. Goods, Martyn J. Binnie, Olivier Girard, Karen E. Wallman, Brian Dawson, Francois Billaut, and Peter Peeling. 2023. Repeated-sprint training in heat and hypoxia: Acute responses to manipulating exercise-to-rest ratio. European journal of sport science 23, 7, 1175–1185. DOI: doi.org/10.1080/17461391.2022.2085631.

[5]      Carsten Lundby, Jose A. L. Calbet, and Paul Robach. 2009. The response of human skeletal muscle tissue to hypoxia. Cellular and molecular life sciences : CMLS 66, 22, 3615–3623. DOI: doi.org/10.1007/s00018-009-0146-8.

[6]      S. van der Zwaard, F. Brocherie, B. L. G. Kom, G. P. Millet, L. Deldicque, W. J. van der Laarse, O. Girard, and R. T. Jaspers. 2018. Adaptations in muscle oxidative capacity, fiber size, and oxygen supply capacity after repeated-sprint training in hypoxia combined with chronic hypoxic exposure. Journal of applied physiology (Bethesda, Md. : 1985) 124, 6, 1403–1412. DOI: doi.org/10.1152/japplphysiol.00946.2017.

[7]      T. van Wessel, A. de Haan, W. J. van der Laarse, and R. T. Jaspers. 2010. The muscle fiber type-fiber size paradox: hypertrophy or oxidative metabolism? European journal of applied physiology 110, 4, 665–694. DOI: doi.org/10.1007/s00421-010-1545-0.

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